Sie sind hier
Der heimliche König der Chart-Pattern: Die Wolfe Wave
Die Wolfe Wave – Mit Ästhetik zum Gewinn. Chart-Patterns können bereits aus einzelnen Candlesticks bestehen. Sie zu handeln, ist eine lohnenswerte Strategie, da sie unabhängig von Indikatoren oder dem fundamentalen Umfeld rein optisch auf einem Chart erscheinen. Dauerhaft aus ihnen Kapital zu schlagen, ist allerdings schwierig, da sie sich nicht selten als Misserfolg erweisen. Ein gutes Chance-Risiko-Verhältnis sowie eine solide Trefferquote sind daher beim Pattern-Trading notwendig. Ein Pattern, das diese beiden Kriterien vereint und zudem noch sehr genau definiert werden kann, ist die so genannte Wolfe Wave. Auch wenn ihr Auftreten nicht gerade häufig ist, verspricht sie doch immer wieder hervorragende Trades.
DIE WOLFE WAVE
DEFINITION UND ENTSTEHUNG
Bild 1 zeigt die Wolfe Wave in ihrer Theorie. Dies mag auf den ersten Blick etwas verwirrend erscheinen, folgt aber einer festen Systematik. Die Punkte 1 und 3 markieren relative Tiefs, die Punkte 2 und 4 relative Hochs im Chart. Bei einer bullischen Wolfe Wave ist es wichtig, dass das Hoch in Punkt 4 unterhalb des Hochs in Punkt 2 liegt und das Tief in Punkt 3 tiefer ist als das in Punkt 1. Sind diese vier Punkte ausgeprägt, können sie jeweils durch Linien verbunden werden. Nun kommt es darauf an, wie der weitere Verlauf beschaff en ist. Der Defi nition nach ist Punkt 5 ein weiteres Tief, das in der Regel unterhalb der gezogenen Linie von 1 nach 3 auftritt. Von da aus erfolgt dann aber eine Trendumkehr, deren Bewegung erfolgreich gehandelt werden sollte. Bild 1 zeigt eine bullische Wolfe Wave. Genauso funktioniert die Wolfe Wave auch umgekehrt – als bärisches Pattern.
Bild 1. Beschaff enheit der Wolfe Wave. Die Wolfe Wave besteht aus fünf Punkten und drei Linien, wobei die Linien gleichzeitig zur Kurszielbestimmung dienen. Ein Stopp liegt optimal bei Punkt 5.
KURSZIELBESTIMMUNG
Zur Kurszielbestimmung gibt es zwei Varianten. Eine richtet sich nach dem genauen Preis und wird aus der Linie zwischen den Punkten 1 und 4 gewonnen. Sobald nämlich die nach Punkt 5 einsetzende Rallye diese Linie kreuzt, ist der favorisierte Verkaufspreis erreicht. Ganz anders funktioniert die zweite Variante. Diese richtet sich nach der Zeit. Demnach ist der Verkaufspunkt erreicht, wenn sich der Chart auf der Höhe des Schnittpunktes der beiden ursprünglichen Linien befi ndet. In der Beispielillustration in Bild 1 fallen diese beiden Punkte idealtypischerweise zusammen. In der Realität ist dies jedoch eher die Ausnahme und daher sollte man sich vorab auf eine der beiden Varianten einigen oder danach vorgehen, welche der beiden als erste den Ausstieg suggeriert.
STOPP UND CHANCE-RISIKO-VERHÄLTNIS
Unter diesem Gesichtspunkt wird die Wolfe Wave besonders attraktiv. Wenn sich das Tief in Punkt 5 abgezeichnet hat, eignet sich Punkt 5 wiederum hervorragend als Stopp. Da es oft schwierig ist, ein Tief genau zu identifi zieren, kann man auch das erneute Durchbrechen der 1-3-Linie als Einstiegssignal nutzen. Selbst dann bietet die Relation zwischen Einstieg, Stopp und Zielkurs, sofern er durch die 1-4-Linie festgelegt wird, ein erstklassiges Chance-RisikoVerhältnis. Auf diese Weise sind sämtliche Kriterien zum Erkennen und Traden der Wolfe Wave festgelegt.
FÜNF PUNKTE, DREI LINIEN
Als Wolfe Wave Trader kann man sich entspannt zurücklehnen. Das „Spotten“ bezieht sich vorerst lediglich auf das Zählen der Hochs und Tiefs. Sind die Punkte 1, 2, 3 und 4 ausgemacht und die Linien gezogen, so beobachtet man den weiteren Verlauf und fi ndet nach Möglichkeit einen günstigen Punkt 5. Sofern dieser den Einstieg durch das Überschreiten der 1-3-Linie signalisiert, wird die Position eröff net. Ziel und Stopp stehen damit fest. Wolfe Waves können völlig unabhängig von Zeitrahmen und betrachtetem Wert auf jedem Chart auftreten und eignen sich ihrem Wesen nach besonders zum Top- und Bottom-Picking.
BEISPEIL – LADBROKES Plc
Der FTSE-Wert Ladbrokes (Bild 2) hat im Juli dieses Jahres eine etwas verkrüppelte, aber dennoch allen Kriterien entsprechende bullische Wolfe Wave ausgebildet. Nachdem das Hoch in Punkt 2 etwas auf sich warten ließ, folgten daraufhin schnell die Punkte 3, 4 und 5. Das Tief am Tag nach Punkt 5 reichte glücklicherweise nicht weit genug, um den Trade auszustoppen.
Bild 2. Ladbrokes Plc, Tageschart. Dieser Chart zeigt eine bullische Wolfe Wave in Kombination mit dem Relative Stärke-Index. Dessen Divergenz (blaue Linie) dient als Filter
Kurz danach war auch schon das Kursziel erreicht. Hätte man die lange Zeit auf das Zeit-Ziel gewartet, wäre der Trade weit schlechter ausgefallen. Dies ist ein Indiz dafür, sich stets für das Kursziel zu entscheiden, das als erstes eintritt, sofern nicht vorher der Stopp gegriffen hat. Angenommen, der Trade wurde zum Schnittpunkt mit der 1-3-Linie aufgenommen, ergeben sich folgende Zahlen. Einstieg bei 227,34, Stopp bei 220,75 und Ziel bei zirka 258,00. Es wurden also 6,59 riskiert, um 30,66 zu gewinnen. Dies entspricht einem tollen Chance-Risiko-Verhältnis von zirka 4,6.
Weiterhin sehen Sie in Bild 2 den Relative Stärke-Index (RSI), der als zusätzlicher Filter bei Bottom-Picking-Vorhaben verwendet werden kann. Die einfache Regel: Bildet der Chart ein erneutes Tief, welches sich im RSI nicht abzeichnet, so ist das Tief als schwach einzustufen, was für eine mögliche Trendumkehr spricht. Diese Erscheinung wird als Divergenz bezeichnet. Der RSI eignet sich in Kombination mit Wolfe Waves hervorragend als Filter.
BÄRISCHE WOLFE WAVE
In den Monaten April und Mai dieses Jahres kam es bei einem weiteren FTSE-Titel, Prudential, zu einer bärischen Wolfe Wave von etwas schönerer Form (Bild 3). Wie Sie sehen wurde das Kursziel (gestrichelte 1-4-Linie) optimal erreicht. Das Zeit-Ziel hätte zwar etwas mehr Ertrag gebracht, wurde aber wieder erst später fällig.
Auch hier bieten sich durch das nur knappe Übertreten der 1-3-Linie durch Punkt 5 erstklassige Chance-Risiko-Zahlen: Einstieg bei 726,00, Stopp bei 736,00 – Risiko demnach 10,00. Das Ziel wurde bei zirka 642,00 erreicht. Dies hätte zu einem Gewinn von 82,00 geführt. Einander in Relation gesetzt ergäbe sich dadurch ein Chance-Risiko-Verhältnis von 8,2. Zum Vergleich: Wäre dieser Trade nur eines von acht Malen erfolgreich gewesen, hätte er sich trotzdem gelohnt. Erfahrungsgemäß liegt jedoch die Treff erquote bei einem durchschnittlichen Trade weit höher als 12,5 Prozent.
Bild 2. Prudential, Tageschart. Hier sehen Sie eine bärische Wolfe Wave. Vom Punkt 1 bis zum Kursziel vergehen beinahe zwei Monate
LUCKY WOLFE WAVE
In Bild 4 ist ein weiteres Beispiel für eine bärische Wolfe Wave illustriert, Ende September 2007 bei Tate & Lyle Plc gesichtet. Sie wurde gemäß aller Kriterien ausgeprägt und der Trade konnte bei einem ganz knappen Punkt 5 eingegangen werden. Allerdings kam es nie zu einem Schnitt mit der 1-4-Linie, denn im Chart klafft an dieser Stelle eine große Kurslücke. In diesem Falle hätte man wohl mit dem Eröffnungskurs gleich glatt stellen können. Weiterhin fällt dieser Tag genau mit dem zeitlichen Kursziel zusammen. In diesem Falle hätte man sich als Trader über einen zusätzlichen Gewinn freuen können, doch das Beispiel zeigt eindrucksvoll genau, dass solche Kurslükken theoretisch auch gegen eine offene Position auftreten können. Dies kann zu außerplanmäßigen Verlusten führen. Vergewissern Sie sich deshalb immer, dass Sie Ihr Risiko unter Kontrolle haben. Ein Pro-Trade-Risiko von mehr als drei Prozent der gesamten Kontogröße ist fahrlässig und kann nicht mehr als seriöses Trading bezeichnet werden.
Bild 4. Tate & Lyle Plc, Tageschart. Die Kurslücke hat den Trade begünstigt und den Gewinn sogar erhöht. Gleichzeitig fällt sie mit dem zeitlichen Ziel, dem Schnittpunkt aus 1-3- und 2-4-Linie, zusammen.
ZUSAMMENFASSUNG
Die Wolfe Wave kann gut und gerne als der heimliche König der Chart-Patterns bezeichnet werden. Zu ihrer Entstehung sind viele Kriterien nötig, die jedoch ausgezeichnet miteinander harmonieren. Sind die fünf Punkte und drei Linien einmal entdeckt, kann man sich auf einen Trade mit gutem Chance-Risiko-Verhältnis und exakt definiertem Stopp und Ziel freuen. Wolfe Waves können als Top- oder Bottom-Picking-Ansatz bezeichnet werden und somit auch gut in eine bereits bestehende Strategie zum Top- oder Bottom-Picking eingebaut werden.
Möchte man die Qualität der einzelnen Trades noch weiter verbessern, empfiehlt es sich, den Relative StärkeIndex als Filter zu benutzen. Wolfe Waves können auf jedem Chart auftreten, jedoch dürfte der Erfolg bei Tagescharts etwas besser ausfallen, da die dort auftretenden Trend meist etwas intensiver sind als Intraday-Bewegungen. Seien Sie kreativ! Quelle: Traders' Mag.