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Achim Mautz: Professioneller Einsatz von Gleitenden Durchschnitten
Immer wieder versuchen Trader – besonders wenn sie noch am Anfang ihrer Trading-Karriere stehen – den heiligen Gral zu fi nden. Sie sind ständig auf der Suche nach Indikatoren, die einem exakt sagen sollen, wann man ein- und aussteigen soll. Neben Indikatoren wie dem Moving Average Convergence/ Divergence (kurz: MACD), Stochastik und andere, landet man auch immer wieder bei den Gleitenden Durchschnitten (kurz: GDs). Im folgenden Artikel zeigt Achim Mautz, wie Sie GDs professionell und gewinnbringend mit Ihrem Trading-Stil vereinbaren können.
Achim Mautz
Mautz ist seit mehr als 15 Jahren im Bereich Asset-Management, als auch im Bereich Day- und Swingtrading tätig. Er ist Gründer der bekannten Trading-Plattform ratgeberGELD.at. Des Weiteren kommt er auch als gerichtlich beeideter Sachverständiger zum Einsatz. Quelle: Traders' Mag.
WAS SIND GLEITENDE DURCHSCHNITTE?
Ein Gleitender Durchschnitt ist nichts anderes als eine Glättung von Zeit- und Datenreihen. Hierbei werden Spitzen nach oben oder nach unten gefiltert und der Kurs als Mittelwert geglättet dargestellt. Der wohl simpelste und bekannteste ist der einfache Gleitende Durchschnitt oder auch Simple Moving Average (kurz: SMA) genannt.
Daneben gibt es noch den exponentiell geglätteten Gleitenden Durchschnitt (oder auch Exponential Moving Average, kurz EMA genannt). Hierbei werden nicht alle Einheiten gleichmäßig gewichtet. Der EMA legt vor allem auf die jüngste Kursentwicklung mehr Wert und gewichtet diese stärker. Der Daily Moving Average (kurz: DMA) bezieht sich hingegen auf den Tagesdurchschnitt.
DAS PROBLEM MIT GLEITENDEN DURCHSCHNITTEN
Da Gleitende Durchschnitte im Nachhinein (nach einer Kursbewegung) berechnet werden, sind diese nachlaufende Indikatoren. GDs sind also weniger ein geeignetes Mittel für Kauf- und Verkaufssignale. Viele Anfänger benutzen Schnittpunkte zum Kauf- oder Verkauf – den sogenannten „Golden Cross“ oder „Dead Cross“. Hierbei überschneidet der 50-Tages-Durchschnitt den 200-TagesDurchschnitt von unten nach oben oder umgekehrt. Diese Kreuzungen von GDs können aber auch oft Fehlsignale produzieren. Wir benutzen die Kreuzungspunkte eher, um einen „möglichen“ Wechsel des Trends zu erkennen und eventuell Gewinn-Stopps enger zu setzen als gewohnt. Entscheidend ist also weniger, ob sich bestimmte Gleitende Durchschnitte kreuzen, sondern vielmehr, in welche Richtung sich diese bewegen.
BESTIMMUNG DER TRENDRICHTUNG
Uns geht es vor allem darum, ob die Summe der kurzfristigen und mittelfristigen GDs alle in dieselbe Richtung zeigen. Wenn ja, dann haben wir einen starken Trend. Wenn nein, gibt es eine Divergenz.
Bild 1 zeigt, wann wir uns in einer bullischen oder bärischen Phase befinden. Immer, wenn alle GDs der verschiedenen Perioden in die gleiche Richtung zeigen, haben wir Rückenwind für die entsprechende Richtung.
Bild 1. Bestimmung der Trendrichtung. Bild 1 zeigt, wann wir uns in einer bullischen oder bärischen Phase befinden. Immer, wenn alle Gleitenden Durchschnitte aus verschiedenen Perioden in die gleiche Richtung zeigen, haben wir Rückenwind in die entsprechende Richtung
Da sich Märkte gerne in Trends bewegen und es einfacher für uns ist, in Richtung eines Trends zu traden, wollen wir demnach versuchen, mit dem Rückenwind des Marktes unsere Setups und Strategien zu finden. Somit wollen wir in Richtung der wichtigen GDs traden:
- Steigt ein GD, so tendiert dieser als Unterstützung im Chart.
- Fällt ein GD, so tendiert dieser als Widerstand im Chart.
Somit können wir davon ausgehen, dass Kurse generell dazu tendieren, an GDs Unterstützung oder Widerstand zu finden. Die Betonung liegt aber auf dem Wort „tendieren“. Berührungen sollten nicht unmittelbar für Long- oder Short-Einstiege genutzt werden. Wie kann ein Trader nun also die Richtung der GDs für seinen Handel nutzen?
SWINGTRADER
Ein Swingtrader will bekanntlich kurze Schwünge von einem bis 15 Tage für sich nutzen. Um mit dem Trend zu traden, kann dieser auf einen 50-Tages-Durchschnitt zurückgreifen. Der 50-Tages-Durchschnitt zeigt den mittelfristigen Trend an und gibt uns ein gutes Signal für die Trendrichtung der letzten Monate. Damit eignet er sich auch als Signalgeber für die nächsten Wochen und Monate.
Das Hauptsignal dieser Indikatoren ist es, den Trend anzuzeigen und die Kurse zu glätten. Generell kann man sagen, dass längere Kursbewegungen über dem 50-Tages-Durchschnitt bullisch sind und längere Kursbewegungen unter dem 50-Tages-Durchschnit bärisch. Die Richtung des 50-Tages-Durchschnitts ist wesentlich wichtiger als die kurzfristige Über- oder Unterschreitung der Kurse.
Szenario 1: 50er SMA zeigt nach oben
Hier sollten überwiegend nur LongPositionen getradet und Short- Positionen eher gemieden werden. In Bild 2 ist der Kursverlauf von Ambarella abgebildet. Die Aktie befand sich über Monate hinweg in einer sehr bullischen Phase. Der 50-TagesDurchschnitt zeigte nachhaltig nach oben, was vor allem Long-Positionen begünstigte.
Bild 2. Steigender Gleitender Durchschnitt. In Bild 2 ist der Kursverlauf von Ambarella abgebildet. Die Aktie befand sich über Monate hinweg in einer sehr bullischen Phase. Der 50-Tages-Durchschnitt zeigte nachhaltig nach oben, was vor allem Long-Positionen begünstigte.
Szenario 2: 50er SMA zeigt nach unten
Hier sollten überwiegend nur ShortPositionen getradet und Long- Positionen eher gemieden werden. Bild 3 zeigt den Kursverlauf des Öl- ETFs. Hier sehen wir eine nachhaltige Abwärtsphase, welche durch den 50-Tages-Durchschnitt angezeigt wird. Wenn dieser nach unten zeigt, sollten eher Short Trades eingegangen werden.
Bild 3. Fallender Gleitender Durchschnitt. Bild 3 zeigt den Kursverlauf des Öl-ETFs. Hier sehen wir eine nachhaltige Abwärtsphase, welche durch den 50-Tages-Durchschnitt angezeigt wird. Wenn dieser nach unten zeigt, sollten eher Short Trades eingegangen werden.
POSITIONS-TRADER
Ein Positions-Trader möchte vor allem längerfristige Trends für sein Trading benutzen. Hierzu greifen wir auf den 200-Tages-Durchschnitt zurück, um den Primärtrend zu messen. Der 200-Tages-Durchschnitt zeigt den langfristigen Trend an.
Generell kann man sagen, dass längere Kursbewegungen über dem 200-Tages-Durchschnitt bullisch sind und längere Kursbewegungen unter dem 200-TagesDurchschnitt bärisch. Wie beim 50-Tages-Durchschnitt ist auch hier die Richtung des 200-Tages-Durchschnitts wesentlich wichtiger als die kurze Über- oder Unterschreitung der Kurse.
Des Öfteren bietet der 200er DMA sowohl sehr gute Unterstützungen als auch Widerstände. Hier gelten die gleichen Regeln und Parameter wie bei normalen Unterstützungen und Widerständen. Die erste Berührung ist meist hart und führt zu einer Gegenbewegung, die zweite ist schwächer und die dritte führt oft zum Bruch.
Ist der 200er DMA flach, dann bewegen wir uns in einem recht trendlosen Markt. Trendkanal-Trading macht hier mehr Sinn als Trend-Trading. Ist der 200er DMA steil, dann befinden wir uns in einem Trend und Trend-Trading wird entsprechend wesentlich attraktiver.
DAYTRADER
Einen Daytrader interessieren länger- und mittelfristige Trends weniger. Hier brauchen wir einen wesentlich kürzeren Indikator. Einer der wohl einfachsten und auch beliebtesten GDs für aktives Daytrading ist der 5-TagesDurchschnitt, welcher uns quasi den Trend einer Handelswoche anzeigt.
Folgende, generelle Regeln können für Daytrader aufgestellt werden:
- Befindet sich der 5er GD in einer Aufwärtsphase, so sollten generell eher Long-Positionen gehandelt werden (mit dem Trend handeln und nicht dagegen).
- Befindet sich der 5er GD in einer Abwärtsphase, so sollten generell eher Short-Positionen gehandelt werden. Eine Alternative dazu wäre, in Cash zu gehen (sein Geld auf dem Konto behalten), da auch Cash eine gute Position in fallenden Märkten darstellt.
- Der 5-Tages-Durchschnitt zeigt uns in Bild 4, wann ein Daytrader eher Long- oder Short-Positionen im Markt eingehen sollte, um auch hier möglichst mit Rückenwind zu handeln.
Bild 4. Long- oder short-Positionen anhand des 5er GDs. Der 5-Tages-Durchschnitt zeigt uns, wann ein Daytrader eher Long- oder Short-Positionen im Markt eingehen sollte, um auch hier möglichst mit Rückenwind zu handeln.
FAZIT
Gleitende Durchschnitte eignen sich nicht so gut, um daraus Kauf- oder Verkaufssignale abzuleiten. Sie dienen vielmehr dazu, Long- und Short Trades so zu timen, dass man immer mit dem Rückenwind des Gesamtmarktes handelt. Denn immerhin korrelieren rund 90 Prozent aller Kursbewegungen einer Einzelaktie mit dem zugrundeliegenden Vergleichsindex.
Achim Mautz Grundregeln:
Grundregel 1: Trades in Richtung der Gleitenden Durchschnitte haben eine höhere Wahrscheinlichkeit auf einen positiven Ausgang. Dies gilt für alle Zeitebenen.
Grundregel 2: Positions-Trader können ihre Trades timen, indem sie versuchen in Richtung des 200-Tages-Durchschnitts zu traden.
Grundregel 3: Swingtrader können ihre Trades timen, indem sie versuchen in Richtung des 50-Tages-Durchschnitts zu traden.
Grundregel 4: Daytrader können ihre Trades timen, indem sie versuchen in Richtung des 5-Tages-Durchschnitts zu traden.