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Kurzfristiges E-Mini Trading
Oftmals konzentrieren sich Intraday Trader auf ganz bestimmte Handelszeiten, wie zum Beispiel die Eröffnungen der verschiedenen Börsenplätze, wo in der ersten Handelsstunde meist die größten Bewegungen stattfinden. Diese zeitliche Fokussierung hat definitiv ihre Berechtigung, benötigt der Trader doch genügend Bewegung, um profitable Ergebnisse zu erzielen. Der folgende Artikel soll nun eine einfache Strategie aufzeigen, mit der Sie auch nach der „Closing Bell“ Gewinne erzielen können.
Profitieren vom 24-Stunden-Handel
Die Grundidee der Strategie
Die Strategie basiert auf der Prämisse, dass viele langfristig orientierte Anleger den Markt tagsüber nicht beobachten, sondern nur den Schlusskurs im Auge behalten, der in sämtlichen Medien veröffentlicht wird. Die Art und Weise wie dieser Schlusskurs zustande kam, wird allerdings oftmals nicht beachtet. Der Schlusskurs oder auch Closing-Preis kann heftige Reaktionen bei den jeweiligen Marktteilnehmern auslösen, die meist von Angst, Gier oder Hoffnung getrieben sind.
Ein kurzes Beispiel soll dieses Szenario verdeutlichen: Angenommen ein Anleger hält eine Aktienposition, die sich bereits im Minus befi ndet. Er spürt wahrscheinlich schon dieses unangenehme Gefühl, auch Angst genannt, und zweifelt, ob er bei seiner Aktienauswahl wohl die richtige Entscheidung getroff en hat. Am folgenden Tag eröffnet die Aktie mit einem Down-Gap von drei Prozent und verliert in den ersten Handelsstunden weitere drei Prozent. Die Position liegt somit rund sechs Prozent im Verlust. Im Nachmittagshandel wird die Aktie, getrieben durch einen starken US-Markt, vier Prozent nach oben gekauft und schließt am Tageshoch, was eigentlich ein bullisches Signal ist. Dennoch wird ein Verlust von zwei Prozent im Verhältnis zum Vortages-Schlusskurs ausgewiesen, der viele Anleger, die das Tagesverhalten der Aktie nicht mitverfolgt haben, dazu veranlasst, ihre Aktie zu verkaufen. Der Stressfaktor eines neuerlichen Verlustes von zwei Prozent war einfach zu viel für sie.
Genau dieses Verhalten wiederholt sich regelmäßig; im Fachjargon spricht man dabei von den so genannten „Weak Hands“, die aus dem Markt geschüttelt werden.
Die Handelsregeln
Gehandelt wird der S&P500 E-Mini Futures-Kontrakt, der sich durch Marktbreite, hohe Liquidität und 24-Stunden-Handel auszeichnet. Alternativ könnten auch Index-Optionen, der normale S&P 500 Future oder der S&P 500 Exchange Traded Fund (SPY) gehandelt werden; allerdings empfiehlt sich der Mini Kontrakt (ES), auf den an anderer Stelle noch genauer eingegangen wird.
Die Strategie ist eine Übernacht-Strategie, jedoch liegt die Haltedauer der einzelnen Trades bei unter 24 Stunden. Besondere Beachtung wird bei dieser Strategie den jeweiligen Höchst- und Tiefstkursen der regulären Handelszeit, also von 15:30 bis 22:15 Uhr, geschenkt.
Die Handelsregeln für einen Kauf (Long) sind folgende:
- Der Einstiegspreis muss über dem einfachen 50 Perioden Gleitenden Durchschnitt (50 Perioden SMA) liegen. Dies stellt sicher, dass Sie nicht gegen den übergeordneten Trend handeln.
- Tag 1: Die Tageskerze schließt in der unteren Hälfte der Tages-Range. Je näher am Tief die Kerze schließt, umso stärker ist das folgende Umkehrsignal.
- Information: Für die Signalgenerierung werden lediglich die regulären Handelszeiten von 15:30 bis 22:15 Uhr beachtet,gehandelt wird allerdings im „Overnight Chart“.
- Tag 2: Die Tageskerze schließt im oberen Drittel der Tagesspanne. Auch hier gilt: Je näher der Close am Tageshoch liegt, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um eine Umkehr in Richtung des übergeordneten Trends handelt.
- Tag 3: Kaufen Sie (gehen Sie Long) einen Tick über dem Hoch von Tag 2. Beachten Sie hierbei, dass Tag 3 nicht um 15:30 Uhr beginnt, sondern bereits um 22:30 Uhr, da Sie hier im „Overnight Chart“ handeln. Würden Sie erst um 15:30 Uhr Long gehen, so wäre in einigen Fällen das Hoch von Tag 2 bereits überschritten und Sie würden zu einem wesentlich schlechteren Kurs einsteigen.
- Nachdem Sie Long gegangen sind, setzen Sie unmittelbar einen Verluststopp von 15 Punkten.
- Schließen Sie zum Close des aktuellen Tages (Tag 3) die Position.
Bevor wir uns ein Beispiel für einen Long Trade ansehen, sollte zu Punkt 4 und 5 Folgendes gesagt werden:
Der S&P 500 E-Mini-Kontrakt wird an der Chicago Mercantile Exchange (CME – Globex) gehandelt. An der CME werden Stopp-Orders erst zu Beginn der regulären Handelszeit, also um 15:30 Uhr aktiviert; das heißt wenn Sie zum Beispiel um 10:00 Uhr (MEZ) Long gehen, würde Ihr Stopp erst ab 15:30 Uhr greifen. Es ist deshalb dringend nahe zu legen, die Position nicht unbeaufsichtigt zu lassen, sich strikt an die Ausstiegsregel zu halten und bei 15 Punkten Kursverlust die Position glattzustellen, um die Risiken einzugrenzen.
In Bild 1 sehen Sie einen erfolgreichen Long Trade: Am 31. März schloss der S&P weit unter der Hälfte seiner Tagesspanne. Am darauf folgenden Tag, dem 1. April, drehte der Markt und der S&P konnte fast am Tageshoch bei 809,25 Punkten schließen. Das Hoch des Handelstages lag bei 810,25. Da der S&P sich über dem 50er Gleitenden Durchschnitt befand, war dies ein korrektes Kaufsignal. Sie wären demnach einen Tick über dem Hoch des Vortages der regulären Handelszeit auf der 810,50 Long gegangen. Die blaue Linie markiert den Hochpunkt plus einen Tick der regulären Handelszeit und zeigt somit den Einstiegspreis.
Ein erfolgreicher Long Trade. Bild 1 zeigt den 24-Stunden-Chart des S&P500 E-Mini-Kontraktes. 1. Der S&P schließt in der unteren Hälfte der Tages-Range. 2. Der S&P schließt im oberen Drittel der Tages-Range. 3. Im 24-Stunden-Chart gehen Sie Long einen Tick über dem Hoch der regulären Handels-Session. Die blaue stufenartige Linie markiert den Einstiegspreis von 810,50. Sie schließen die Position zum Close auf der 835,75 mit einem Gewinn von 25,25 Punkten. Der 50 Perioden einfache Gleitende Durchschnitt (blaue Linie) dient als Trendfi lter.
Den Verluststopp hätten Sie auf die 795,5 gesetzt, 15 Punkte unter dem Einstieg. Die Position wäre dann zum Close des aktuellen Handelstages bei 835,75 glattgestellt worden und hätte einen Gewinn von 25,25 Punkten oder 1262,50 Dollar eingebracht (Gebühren und Slippage wurden bei dieser Veranschaulichung nicht beachtet).
Bild 2 zeigt den gleichen Trade; allerdings wurde hier ein Daten-Feed verwendet, der lediglich die reguläre Handelszeit von 15:30 bis 22:15 Uhr umfasst. Es ist klar ersichtlich, dass die Ausführung, die hier zum Open geschehen wäre (da der Open bereits über dem Vortageshoch liegt), wesentlich schlechter ausgefallen wäre. Die Position wäre zwar ebenfalls erfolgreich gewesen, jedoch unter drastisch verschlechterten Chance-/Risiko-Verhältnissen, denn der Einstieg wäre auf der 826,75 erfolgt, satte 16,25 Punkte oder 812,50 Dollar schlechter.
Der gleiche Trade zur regulären Handelszeit. Bild 2 zeigt den Chart des S&P500 E-Mini-Kontraktes, allerdings ohne die Übernachtentwicklung, also von 15:30 bis 22:15 Uhr. Klar ersichtlich ist die schlechtere Ausführung aufgrund des Overnight Gaps. Der Einstieg wäre hier auf der 826,75 erfolgt, über 16 Punkte schlechter.
Die Handelsregeln für einen Verkauf
Die Handelssystematik für einen Verkauf oder Short Trade ist prinzipiell die Gleiche. Einzige Abweichung ist hier der einfache Gleitende Durchschnitt. Da Abwärtsbewegungen in der Regel dynamischer sind, sollten Sie hier die Periodenanzahl des Gleitenden Durchschnitts von 50 auf 75 erhöhen, damit Sie mit dem Trend handeln und einige Fehlsignale vermeiden.
- Der Einstiegspreis muss unter dem einfachen 75 Perioden Gleitenden Durchschnitt (75 Perioden SMA) liegen.
- Tag 1: Die Tageskerze schließt in der oberen Hälfte der Tages-Range. Auch hier gilt: Je näher die Kerze am Hoch schließt, umso stärker ist das folgende Umkehrsignal.
- Tag 2: Die Tageskerze schließt im unteren Drittel der Tagesspanne.
- Tag 3: Gehen Sie Short einen Tick unter dem Tief von Tag 2.
- Nachdem Sie Short gegangen sind, setzen Sie unmittelbar einen Verluststopp von 15 Punkten.
- Schließen Sie zum Close des aktuellen Tages (Tag 3) die Position.
Ein Blick auf die Performance
Ein Blick auf den Backtest (siehe Bild 3) zeigt, dass die Strategie im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Juli 2009 durchaus einen akzeptablen Gewinn von 5412 Dollar pro Kontrakt erzielte, bei einem maximalen Drawdown von 1263 Dollar.
Die Ergebnisse des Backtests. Bild 3 zeigt die Ergebnisse der Handelsstrategie von Jahresbeginn bis Ende Juli. Insgesamt wurden 19 Trades generiert, wovon rund 63 Prozent profi tabel waren. Es wurde ein Gewinn von 5412 Dollar erzielt bei einem maximalen Drawdown von 1263 Dollar.
Insgesamt wurden 19 Trades generiert, wovon rund 63 Prozent profitabel waren. Der durchschnittliche Einzelgewinn ist fast 1,5 mal so groß wie der durchschnittliche Verlust, der Return pro Trade ist mit zirka 285 Dollar groß genug, um auch bei höheren Gebühren und Slippage ein Gewinn zu erzielen. Auch der Profitfaktor von 2,52 ist ermutigend.
Wie wichtig es ist, bei dieser Strategie nicht auf die Eröffnung der regulären Handels-Session zu warten, sondern im „Overnight Chart“ zu handeln, belegt der Vergleich der Performance; hier hätte man nur einen Netto-Profit von 1950 Dollar erzielt, bei einem maximalen Drawdown von 1888 Dollar.
Fazit
Die Strategie eignet sich aufgrund ihrer Einfachheit besonders für Trader, die nicht in der Hektik des täglichen Intraday-Handels untergehen wollen und dennoch einen kurzfristigen Handelsansatz bevorzugen.
Bedenken sollte man allerdings den klaren Nachteil, dass an der CME keine Stopp-Orders vor 15:30 Uhr und damit auch keine Bracket-Orders aufgegeben werden können, die sich hier sowohl für den Einstieg als auch für den Sicherheitsstopp eignen würden. Dieses Problem kann teilweise umgangen werden, indem man das Handelssystem mit Software-Lösungen wie Tradestation, NinjaTrader oder Investox automatisiert; dabei ist es allerdings generell nicht empfehlenswert, Positionen ohne Stopp im Markt unbeaufsichtigt zu lassen.
Ansätze zur Verbesserung dieser Strategie gibt es viele. Man könnte zum Beispiel prüfen, wie sich die Performance entwickelt, wenn man die Position zum Open des vierten Tages schließen würde. Alternativ könnte man auch versuchen, den Ausstieg ausschließlich mittels eines Trailing-Stopps zu generieren, wo man den Stopp jeweils einen Tick unter das letzte Tief (bei einer Long-Position) nachzieht. Hierfür sollte man dann aber in eine kleinere Komprimierung wie zum Beispiel den Stunden-Chart wechseln.
Auch der mechanische Stopp von 15 Punkten ist verbesserungsfähig. Hier würde sich zum Beispiel ein Stopp abhängig von der Tagesspanne des Vortages als Alternative anbieten.
Domenik Maier
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