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Thomas Vittner – Das Trader Coaching

Trade Coaching

In seinem Buch beschreibt Thomas Vittner in einfachen Worten, worauf es beim Trading wirklich ankommt. Er gibt Tipps, wie man dieses Geschäft erlernen kann, berichtet aus der täglichen Handelspraxis und warnt vor den Fallen, die auf einen angehenden Trader warten. Mit erfrischender Ehrlichkeit vermittelt Vittner sein Wissen und erklärt dem Leser, warum die verzweifelte Suche nach dem "Heiligen Gral" im Trading verlorene Mühe ist.


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Trade Coaching

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Der Herausgeber dieses Buches schreibt: Trader brauchen einen Plan und müssen sich Ziele setzen. Diese Ziele sollen sie motivieren und dahingehend kontrollieren, den eingeschlagenen Weg im Auge zu behalten. Mit den richtigen Fragen kann man jemanden dazu bringen, diese Ziele herauszuarbeiten, zu präzisieren und regelmäßig zu überprüfen. Dieser Prozess muss jedoch zuerst in strukturierte Bahnen gegossen werden. Das beginnt damit, die Ziele adäquat zu formulieren. Aber wie stellt man das an?

Wir haben die Genehmigung erhalten, den ersten Teil des Buches zu veröffentlichen. Lassen Sie uns in die Einleitung eintauchen und danach mit den ersten beiden Kapiteln fortsetzen.

Teil I
Traders’ Coaching
Trading schrittweise lernen

Einleitung - Erlernen des Tradings

Ich habe in meinem Leben bisher weit mehr als 150 Bücher über Börse, Aktien, Investieren oder Trading gelesen. Nach der Lektüre dieser Werke fiel mir auf, dass die meisten Tradingbücher zwar von Experten geschrieben werden und vieles an Fachwissen beinhalten, zum Erlernen dieser Aufgabe aber oft unbrauchbar sind. Das liegt vor allem daran, dass die Autoren auf den Lernprozess »Trading« überhaupt nicht eingehen. Stattdessen werden dem angehenden Trader ohne Rücksicht auf Verluste die eigenen (möglicherweise erfolgreichen) Konzepte aufs Auge gedrückt. Niemand macht sich jedoch Gedanken darüber, dass es beim Erlernen des Tradings nicht um die Aufnahme von möglichst viel Fachwissen geht.

Wenn sich jemand für das Trading zu interessieren beginnt, dann packt er die Sache vermutlich so an, als ob er sich in ein x-beliebiges anderes Fachgebiet einarbeiten möchte. Auf die gleiche Art, wie er versuchen würde, sich zum Beispiel Knowhow über Buchhaltung oder Marketing anzueignen, beschafft sich der Interessent entsprechende Fachliteratur und legt auf eigene Faust mit dem Lernen los. Wenn er nach einiger Zeit bemerkt, dass er allein dasteht und nicht weiterkommt, besucht er ein erstes Fachseminar, um sein Wissen zu erweitern. Wird mehr daraus und das Interesse steigert sich, dann werden ganze Kursreihen oder Studien belegt. So wird der Aspirant über die Monate und Jahre zum absoluten Experten auf diesem Wissensgebiet. Doch nur mit Fachwissen wird man eine Tätigkeit wie das Trading nie meistern können. Trading bedeutet Praxis und Erfahrung. Vor allem bedeutet es auch, sich unter Kontrolle zu haben und selbstständig zu sein. Das sind Herausforderungen und Tugenden, die man nicht durch die Aufnahme von Fachwissen bewältigen kann.

Wenn Sie als angehender Trader jetzt verwundert sind, verspreche ich, dass Sie am Ende dieses Buches die vorhergehenden Sätze besser verstehen werden. Beim erfolgreichen Traden geht es zum Großteil um eine Änderung Ihres bisherigen Verhaltens. Fachwissen aufzusaugen, egal, welches Thema betreffend, ist nicht besonders schwierig. In den meisten Fällen braucht man bloß Ehrgeiz und Ausdauer dazu, manchmal auch ein wenig Talent. Eine Änderung des Verhaltens hingegen ist nicht leicht herbeizuführen. Fast alle Tradingbücher, die ich kenne, ignorieren diesen Umstand vollkommen. Hier liegt auch die Antwort auf die Frage, warum so viel Börsenliteratur unnütz ist und warum ein Trader sogar aus fachlich guten Werken oft nicht schlau wird.

In erster Linie kauft man ein Buch über das Trading deswegen, weil man erwartet, darin die so dringend ersehnten Antworten zu finden, die einen erfolgreich machen. Man denkt nicht darüber nach, dass diese Antworten doch nie in einem Buch stehen können. Auf der Welt gibt es mehrere Milliarden Menschen und wenn auch nur wenige davon Trader werden wollen, bedeutet dies doch, dass es genauso viele unterschiedliche Antworten geben müsste. Daher ist es verständlich, dass ein Börsenbuchautor diese Fragen nicht zur vollsten Zufriedenheit beantworten kann, was man ihm auch gar nicht vorwerfen darf. Erlaubt sei jedoch der Vorwurf, dass sich die meisten Autoren über diesen Umstand der Individualität der Menschen keinerlei Gedanken machen. Sie präsentieren dem Trader ihre (für sie passenden) Antworten und glauben, es seien auch die Antworten der anderen. Wenn wir die Sache aber anders angehen und hier einen Coaching-Prozess ins Spiel kommen lassen, besteht sehr wohl die Möglichkeit, die Bedürfnisse des Einzelnen zu berücksichtigen.

Allgemein geht es dem angehenden Trader zu Beginn doch darum, beraten zu werden. Wie kann so eine Beratung nun aussehen? Eine Variante wäre, sich bei Freunden oder Gleichgesinnten Rat zu suchen. Im Normalfall gibt es im Umfeld eines Menschen aber nicht viele Leute, die sich für das Trading interessieren; daher ist dieser Weg für die meisten Personen nicht zu beschreiten. Eine andere Möglichkeit bietet heute das Internet, wo in den letzten Jahren eine Flut an Blogs oder Foren entstanden ist, in denen man sich mit anderen Tradern austauschen kann. Leider führt die Anonymität des Internets oft dazu, dass die Diskussionskultur auf diesen – teilweise auch sehr guten – Seiten katastrophal ist, was die meisten vernünftigen Menschen abschreckt. So bleiben für den angehenden Trader nur zwei Möglichkeiten: sich entweder individuell beraten zu lassen, was im Normalfall sehr kostspielig ist, oder die Sache selbst in die Hand zu nehmen.

Für die meisten angehenden Trader liegt daher der scheinbar einzig zu beschreitende Weg im »Do it yourself« und im Erwerb von einschlägiger Fachliteratur. Da es jedoch, wie oben beschrieben, beim Trading weniger um das Erlernen von Fachwissen als vielmehr um die Änderung des Verhaltens geht, nähern sich die meisten Trader diesem Unterfangen mit einer ganz falschen Vorstellung im Hinblick auf das, was es zu lernen gibt und was für den Erfolg ausschlaggebend ist.

Die Brücke zwischen der Übermittlung von Fachwissen und der Beratung soll mit diesem Buch nun geschlagen werden. Wäre es nicht ideal, wenn der angehende Trader sich nicht völlig allein durch die auf ihn zukommenden Herausforderungen kämpfen müsste? Wenn er jemanden hätte, der ihm die richtigen Fragen stellt und ihm im richtigen Moment so weit bringt, sich die angemessenen Ratschläge selbst zu erteilen? Genau jetzt sind wir beim Titel dieses Buches angelangt. »Das TraderCoaching«. Leider hat ein angehender Trader im deutschsprachigen Raum wenige Möglichkeiten, sich individuell coachen oder beraten zu lassen. Deswegen habe ich mich dazu entschlossen, mein Praxiswissen aus dem Trading heraus mit meinem Wissen um den Coaching-Prozess zu verknüpfen, um den Interessenten eine persönliche Tradingberatung anbieten zu können. Teile dieses Prozesses sind in diesem Buch enthalten. Mir und jedem anderen Fachmann ist klar, dass ein Buch kein echtes Coaching ersetzen kann, denn ein solches lebt vom Dialog zwischen dem Coach und dem Klienten. Dieser Dialog kann in einem Buch natürlich nicht stattfinden. Trotzdem kann man unter Berücksichtigung eines roten Fadens und mit der richtigen Fragetechnik den Klienten (den Leser) dazu bringen, sich mit den einzelnen Themenbereichen erfolgreich auseinanderzusetzen.



Exkurs – Was ist Coaching?

Den Begriff Coaching hören Sie heute an allen Ecken und Enden. Coaching verbindet man in erster Linie mit Sport. Es klingt nach Fußball, Golf, Tennis oder Fitnesscenter. Heute engagiert man sogar in Bereichen, die nichts mit Sport zu tun haben, Coachs. Führungskräfte im Management oder Politiker vertrauen immer mehr auf diese Art der mentalen Beratung. Manche Unternehmen beschäftigen sogar interne Coachs, die im Normalfall im Bereich des Personalwesens angestellt sind und bei Bedarf herangezogen werden.

Um genau zu definieren, was mit Coaching gemeint ist, müssen wir uns dem Ursprung des Wortes zuwenden, der zunächst in der ungarischen Sprache zu finden ist: »kocsi« bedeutet Kutsche. Dieser Begriff fand in Form des Wortes »coach« mit derselben Bedeutung auch Eingang ins Englische. Mit einem Gedanken an dieses Vehikel lässt sich, wenn man es in die moderne Zeit transferiert, schon die Grundintention der Dienstleistung » Coaching« vermitteln. Der Coach kann mit einem Taxifahrer verglichen werden, der einen Fahrgast (den Klienten) an ein gewünschtes Ziel bringt. Dabei entscheidet der Klient, in welchen Wagen er steigt und wohin er möchte, wählt also das Ziel aus. Der Taxilenker (der Coach) entscheidet, wie rasch er fährt, wann und ob er Pause macht und ob er die Autobahn oder die Bundesstraße benutzt, welchen Weg er also wählt.

Ein guter Coach ist ein gleichberechtigter Partner, der lehrt und berät, der einfühlsam ist und zuhört und der Hilfe zur Selbsthilfe bietet. Coaching bedeutet »Beratung ohne Ratschlag« und die Aufgabe des Coachs ist es daher keinesfalls, Antworten zu geben, sondern dem Klienten dabei zu helfen, die für ihn passenden Lösungen selbst zu finden.

Gebrauchsanleitung zu diesem Kapitel

Wir werden in diesem Kapitel den Spieß einfach umdrehen und den Leser anstatt mit Lösungen mit einer Handvoll Fragen konfrontieren. Einige dieser Fragen werden im nachfolgenden Text weiter erörtert und vertieft, auf andere wird im Folgenden bewusst nicht weiter eingegangen und deren Beantwortung wird offen gelassen. Nimmt der Trader diesen Lernprozess ernst, wird er einige Recherchen anstellen müssen, um auf wirklich alle Fragen zufriedenstellende Antworten zu finden. An dieser Stelle des Buches ist daher der Leser besonders gefordert, weil er zur aktiven Mitarbeit aufgerufen wird.

Lesen Sie also zuerst die jeweiligen Abschnitte des Coaching-Teils in aller Ruhe durch und versuchen Sie am Ende des Buches herauszufinden, ob die in den nachfolgenden Kapiteln präsentierten Gedankengänge Sie in manchen Punkten zu einer Änderung oder Relativierung Ihrer bisherigen Glaubenssätze geführt haben. Damit will ich keinesfalls andeuten, dass meine Gedankengänge die einzig richtigen wären und Sie diese unbedingt und uneingeschränkt übernehmen müssten. Ich möchte Ihnen vielmehr alternative Betrachtungsweisen vorschlagen. Obwohl Sie diese Vorschläge nicht annehmen müssen, ist es wichtig, dass Sie sich diese Fragen stellen und dass Sie wissen, welche Meinung Sie zu einem bestimmten Thema haben.

In einigen Bereichen werden Sie jedoch nicht darum herumkommen, sich mit einem neuen Denken anzufreunden, weil Ihre bisherigen Glaubenssätze Sie nicht auf die Straße des Erfolges führen können. Sie müssen es in manchen Punkten schaffen, über den Tellerrand hinauszublicken, die Vielfalt an Theorien zu erkennen und sich dann das passende Menü daraus selbst zusammenzustellen.

Bei den gestellten Fragen kann es um die persönliche Entwicklung genauso gehen wie um Fachthemen. Andererseits werden Sie auch mit rein hypothetischen Inhalten konfrontiert werden, beispielsweise lautet so eine Frage: »Wie würde sich mein Leben verändern, wenn ich mein gewähltes Monats-, Wochen-, Tagesziel mit dem Trading erreichen würde?« Es ist unschätzbar wichtig, dass Sie sich Ihre eigenen Gedanken und Meinungen bilden, damit Sie Ihre Selbstreflexion in die richtige Richtung lenken und Lösungen zu den jeweiligen Einzelthemen entwickeln können.

Der angehende Trader muss sich darüber hinaus bewusst sein, dass es in diesem Prozess keine fix vorgegebene Route gibt. Obwohl wir Trader alle Ziele haben, ist der Weg nicht mit einer Urlaubsreise zu vergleichen, bei der man den gewünschten Ankunftsort in ein Navigationsgerät eingibt und der Computer dann die genaue Strecke vorgibt. Vielmehr handelt es sich um ein großes Puzzle, dessen einzelne Stücke derzeit noch chaotisch vor dem Trader liegen. Er betrachtet die verstreuten Teile und überlegt, wo er beginnen soll und was zusammenpasst. In den meisten Fällen haben die Antworten aus einem Bereich daher einen starken Einfluss auf einen anderen. Beispielsweise kann die Wahl des richtigen Brokers damit zusammenhängen, welche Underlyings Sie traden möchten. Oder die Frage, wie viel Zeit Sie für das Trading haben, wird Ihren Handelsansatz und vielleicht auch Ihre Stoppsetzungsstrategie stark beeinflussen.



Versuchen Sie, während Sie sich Ihre Gedanken machen, weitere Fragen aufzuwerfen. Je mehr Fragen Sie sich stellen, desto intensiver beschäftigen Sie sich mit dem Prozess »Trading« und mit sich selbst. Fragen Sie sich selbst das sprichwörtliche Loch in den Bauch. Wenn Sie das getan haben, werden Sie sehr gut über sich, über Ihre Neigungen und Ihre Ängste Bescheid wissen. Seien Sie sich darüber hinaus bewusst, dass dieser Fragen- und Evolutionsprozess niemals endet. Als Trader müssen Sie sich ständig mit den richtigen Fragen konfrontieren und gleichzeitig neue Fragen finden. Wenn Sie damit aufhören, haben Sie verloren, denn dann sind Sie selbstgefällig und träge geworden und werden scheitern.

Sie sehen schon, im Rahmen Ihres Tradingbusiness müssen Sie immer wieder als Ihr eigener Mentalcoach agieren und sich pausenlos mit sich selbst beschäftigen. Es ist Ihre Aufgabe, die Zielkriterien zu formulieren, zu überprüfen und gegebenenfalls an neue Umstände anzupassen. Wichtig ist vor allem eine lösungsorientierte Vorgehensweise, die mit konstruktiven Fragestellungen beginnt, Chancen oder Gefahren lokalisiert und Möglichkeiten aufzeigt. In den nächsten Kapiteln versuchen wir genau dort anzusetzen. Betrachten Sie die nachfolgenden Inhalte daher als Wegweiser für Ihre Tradingkarriere.

1 Der theoretische Teil

Im nachfolgenden Kapitel werden wir uns ein paar Gedanken über den Beginn der Reise machen. Wir sprechen darüber, warum Sie sich dieses Vehikel überhaupt ausgesucht haben, auf welchem Weg Sie an Ihr Ziel gelangen können und was Sie, wenn Sie es erreicht haben, dort eigentlich vorhaben. Beginnen wir ganz am Anfang und betrachten wir die Ursache Ihres Wunsches, ein Trader zu werden. Wir stellen uns folgende Frage:

1.1 Warum traden Sie?

Welche Fragen muss ich mir unter anderem selbst stellen?

→ Warum muss es Trading sein, warum werde ich nicht Eisverkäufer?
→ Wo liegen meine Stärken, wo meine Schwächen?

Die meisten Menschen, denen die Frage gestellt wird, warum sie traden, antworten: »Weil ich Geld damit verdienen will«. Diese Antwort ist sehr ehrlich und auf den ersten Blick das augenscheinlichste Motiv, doch in Wahrheit ist das Geld nicht der wahre Grund für dieses Bestreben. Auch ich war mir lange Zeit sicher, dass meine Motive darin lägen, Geld verdienen zu wollen. In den letzten Jahren hat sich meine Meinung jedoch grundlegend geändert. Dies geschah zu jenem Zeitpunkt, an dem ich es geschafft hatte, regelmäßig Gewinne aus den Märkten herauszuholen, egal, ob ich als Investor oder Trader agierte.

Warum behaupte ich, dass »Geld verdienen« keine echte Motivation für einen Trader ist? Wie lange motiviert Sie eine Gehaltserhöhung, die Sie in Ihrer Firma bekommen? Seien Sie ehrlich, ein paar Stunden oder Tage? Eine Woche? Viel länger wohl nicht. Danach nehmen Sie das höhere Gehalt als selbstverständlich hin und alles geht weiter wie bisher. Warum ist das so? Weil wir unseren Beruf nicht des Geldes wegen ausüben, sondern es uns vielmehr um die Befriedigung von Bedürfnissen geht. Je nachdem, wie gut Sie verdienen und welcher Art von Beschäftigung Sie nachgehen, kann das vom bloßen Selbsterhaltungstrieb bis hin zur Erwirtschaftung von Statussymbolen wie Autos oder Häusern reichen.

Vielleicht ist es die Tatsache, selbstständig tätig zu sein und auf eigene Rechung zu arbeiten, die einen Menschen antreibt. Ein Anderer möchte nicht mehr in der Organisationsstruktur eines Unternehmens gefangen sein und sich selbst verwirklichen, deswegen tradet er. Manche treibt der Wunsch voran, von den Mitmenschen anerkannt zu werden oder Ruhm zu ernten. Was ist es bei Ihnen?

Wenn ich andere Trader frage, warum sie sich das Vehikel »Trading« ausgesucht haben, um das Ziel »Geld verdienen« zu erreichen, herrscht meist betroffenes Schweigen. Fast niemand kann diese Frage beantworten. Ich möchte ehrlich sein, auch ich wusste es lange Zeit nicht. Ich hatte von der Existenz dieser Frage gar keine Ahnung, bis mich einmal ein Arbeitskollege darauf ansprach und mich fragte, warum es gerade Trading war, was mich angezogen hatte. Er meinte damals scherzhaft, ich könne doch genauso gut an einem Sonntag im Freibad Eistüten verkaufen, um etwas dazuzuverdienen. Seine Frage wischte ich damals mit einer abschätzigen Geste beiseite, aber in Wahrheit hatte er den Nagel auf den Kopf getroffen. Warum Trading?



Ich habe lange über diese Frage nachgedacht und konnte keine Antwort darauf finden, bis ich eines Tages mit meiner Lebensgefährtin einen fünfwöchigen Australienurlaub machte. Wir flogen damals von Wien nach Sydney und alles was in diesem Urlaub geplant war, war der Rückflug. Die restliche Zeit hatten wir vollkommen zur freien Verfügung. Wir hatten einen Leihwagen, konnten tun und lassen, was wir wollten, und an jedem Ort so lange bleiben, wie es uns gefiel. Als ich eines Tages in der Mitte des Urlaubs am Strand von Coolum Beach, nördlich von Brisbane, saß und auf den Pazifik blickte, machte es plötzlich »klick« in mir! Das war es also, was ich wollte – Freiheit! Und dieser Wunsch ist mit dem Trading realisierbar.

Diese Sehnsucht nach Freiheit bemerkte ich erstmals am Strand in Australien. Mir wurde plötzlich klar, dass ich als Trader von überall auf der Welt mein Geld verdienen könnte. Ich bräuchte nur einen Laptop, Strom und einen Internetzugang. Als Eisverkäufer im Freibad wäre ich hingegen ortsgebunden, auf das Wetter und auf die Launen der Käufer und noch vieles mehr angewiesen. Das alles sind Faktoren, die beim Trading keine Rolle spielen, denn dort hängen die erzielten Ergebnisse nur von einem selbst ab.

Hinter dem Motiv »Geld verdienen mit Trading« stand bei mir also der Wunsch nach Freiheit und Unabhängigkeit. Daher habe ich mir wohl instinktiv das einzige Gewerbe der Welt ausgesucht, in dem Sie wirklich mit niemandem, mit absolut niemandem gut Freund sein müssen, um erfolgreich zu sein. Wo es zu 100 % auf Ihre eigene Leistung ankommt und absolute Fairness herrscht. Sind Sie gut, wird Ihnen gegeben, sind Sie schlecht, wird Ihnen genommen. Das sind die ganzen Regeln! Ich kenne kein anderes Business der Welt, wo diese Gerechtigkeit so ausgeprägt vorhanden ist wie beim Trading. Wenn Sie einen anderen Job wissen, der genauso funktioniert, die gleichen Freiheiten und finanziellen Erfolgsaussichten bietet, dann schreiben Sie mir bitte. Vielleicht sattle ich ja nochmals um!

1.2 Ziele

Welche Fragen muss ich mir unter anderem selbst stellen?

→ Wie würde sich mein Leben verändern, wenn ich mein gewähltes Monats-, Wochen-, Tagesziel mit dem Trading erreichen würde?
→ Welche Mittel, das angestrebte Ziel zu erreichen, stehen mir zur Verfügung?
→ Wie bemerke ich, ob das angestrebte Ziel erreicht wurde?
→ Was gebe ich auf, wenn ich mein Ziel erreiche?
→ Welche Etappenziele kann ich einplanen, um an mein Endziel zu gelangen? (Milestones)
→ Welche Alternativen bestehen, wenn ich das Ziel nicht in der geplanten Zeit erreichen kann?

Exkurs – Ziele (eine philosophische Kurzbetrachtung)

Genau genommen ist es kein vernünftiges Ziel für einen Trader, immer nur das Geld verdienen im Kopf zu haben. Ein Tennisspieler oder Formel-1-Pilot denkt auch nicht ständig an das Preisgeld, er will einfach das Match oder das Rennen gewinnen. Im Leben kann daher nur der Weg das Ziel sein, denn ist das Ziel einmal erreicht, dann endet auch das Leben. Das Ziel, das alle Menschen vorantreibt, muss daher ein erfülltes Leben sein. Das Ziel für einen Trader muss aus diesem Grund gutes Trading sein. Um seiner selbst willen. Saubere Technik, Kontinuität, Qualität. Der Wille dazu, der über allem steht, und die Ausdauer, die dafür benötigt wird.

Das Ziel können daher weder ein Ort noch materielle Dinge sein.

Es ist kein Haus in Hawaii und kein Ferrari. Das Ziel ist um einiges vielschichtiger zu definieren und man kann es auch nie zur Gänze erreichen. Kommt man ihm nahe, ist es so, als rücke es wieder einen Schritt weiter weg, und fordert dann vom Suchenden noch mehr Einsatz. Gelangt man auf Irrwege, strahlt es dafür umso heller, um ja nicht übersehen zu werden. Das Ziel führt den Suchenden zu sich – auf seine undurchschaubare und unbeschreibbare Art. Es leitet diejenigen, die es wirklich finden wollen!

Trader brauchen einen Plan und müssen sich Ziele setzen. Diese Ziele sollen sie motivieren und dahingehend kontrollieren, den eingeschlagenen Weg im Auge zu behalten. Mit den richtigen Fragen kann man jemanden dazu bringen, diese Ziele herauszuarbeiten, zu präzisieren und regelmäßig zu überprüfen. Dieser Prozess muss jedoch zuerst in strukturierte Bahnen gegossen werden. Das beginnt damit, die Ziele adäquat zu formulieren. Aber wie stellt man das an?

Um den besten Nutzen aus einer Zielsetzung herauszuholen, müssen Sie zuerst darauf achten, dass Sie Ihr Ziel positiv formulieren. Ziele wie »Ich möchte nicht …« sind negativ formuliert und wenig dienlich, weil Ihr Gehirn an ein »nicht« eben nicht denken kann. Versuchen Sie bitte, in der nächsten Minute nicht an einen rosa Elefanten zu denken. Sie werden bemerken, dass dies nicht möglich ist. Daher sollten Sie sich besser fragen: »Was will ich stattdessen?« Vielleicht möchten Sie lieber an einen blauen Elefanten denken? Das funktioniert schon besser, habe ich recht? An einen blauen Elefanten zu denken ist leichter, als nicht an einen rosa Elefanten zu denken! Wie kann man diese Erkenntnis nun in der Praxis nutzen?



Ein Trader, der zum Beispiel seine Ungeduld erkannt hat und weiß, dass er sich mit diesem Verhalten schädigt, sollte daher seine Ziele in der folgenden Art festhalten: »Ich möchte meine Trades länger laufen lassen, um die volle Bewegung aus dem Markt herauszuholen.« Mit dieser oder einer ähnlichen Formulierung schafft er eine positive Assoziation mit dem angestrebten Zielzustand, wogegen er dies mit einem Satz wie »Ich möchte meine Trades nicht immer vorzeitig glattstellen« nicht erreichen kann.

Ein weiterer Aspekt der Zielsetzung ist, darauf zu achten, ob das Ziel im Hinblick auf die Umwelt des Traders sinnvoll ist. Gemeint ist hier, dass der Trader sich die Frage stellen muss, ob das Erreichen des Zieles für ihn auch unerwünschte Nebenwirkungen haben könnte. Diese Nebenwirkungen betreffen in erster Linie ihn selbst als Individuum, aber auch die Beziehung zu seiner Umwelt. Aus diesem Grund kann das Unterbewusstsein den Trader in seinen Handlungen negativ beeinflussen. Die Ursache dafür könnte eine im Hinblick auf seine Umwelt nicht vertretbare Zielsetzung sein, denn vielleicht ist sich der Trader der Konsequenzen seiner eigenen Handlungen gar nicht bewusst. Wegen seines Erfolgs könnte er den Neid seiner Freunde und Verwandten fürchten oder mit der Skepsis oder Ablehnung seines Lebenspartners konfrontiert werden. Zusätzlich wäre es möglich, dass die Ziele nicht mit dem Selbstwertgefühl des Traders korrelieren – er könnte nämlich meinen, die Gewinne nicht wirklich zu verdienen (dazu später mehr).

Der letzte Bereich der Zielsetzung ist der Frage gewidmet, ob das Ziel konkret messbar ist. Wenn wir an den rein sachlichen Bereich des Tradings denken, einen Betrag X im Monat oder Jahr erwirtschaften zu wollen, ist diese Zielsetzung ohne Schwierigkeit durchzuführen. Da das Geld beim Trading aber nur als Nebenprodukt sauberer Technik zu sehen ist, fällt einem Trader die Sache nicht so leicht, wie es auf den ersten Blick den Anschein haben mag.

Erfolgreiches Trading bedeutet in erster Linie, sich selbst unter Kontrolle zu haben. Selbstkontrolle wiederum bedarf einer Verhaltensänderung und diese ist nicht einfach zu bewerten oder noch schwieriger zu messen. Daher ist es für einen Trader wichtig, den angestrebten Zustand so genau wie möglich zu beschreiben. Die Zielsetzung » Tradingfehler auszumerzen« ist als Ziel zu schwammig und muss konkretisiert werden: »Ich möchte in diesem Monat meine Stopps immer sauber am Tageshoch/-tief nachziehen« wäre eine Formulierung, die das Vorhaben weitaus besser beschreibt.

Sie kennen doch den Spruch »Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte!« Besonders kreative Trader können auch versuchen, den angestrebten Zielzustand in einem Bild festzuhalten. Hier sind Ihren Ideen keinerlei Grenzen gesetzt, Sie können zeichnen, Grafiken einsetzen oder aus diversen Objekten Skulpturen herstellen. Alles ist erlaubt, solange es der Sache und Ihrem Lernfortschritt dient.

Versuchen Sie zum Beispiel, mit einer Strichzeichnung Ihren Gesichtsausdruck nach einem Fehltrade festzuhalten. Dabei müssen Sie gar nicht in den Spiegel sehen, skizzieren Sie mit wenigen Linien das, was Sie in diesem Augenblick gerade fühlen. Als Nächstes machen Sie eine weitere Zeichnung, in der Sie festhalten, wie Sie aussehen, wenn Sie einen positiven Trade abgeschlossen haben. Durch die Variation der Augen- und Mundpartien können Sie den Zeichnungen eine unterschiedliche Aussagekraft verleihen.



Abbildung 1 - 3

Erkennen Sie sich in diesen Gesichtern wieder? Wenn nein, wie sehen Sie aus, was meinen Sie? Und wie, glauben Sie, sieht hingegen ein Tradingprofi nach einem oder mehreren Fehltrades aus?

Abbildung 4 - 6

Wie sieht ein reifer Trader andererseits nach einem Gewinn aus? Hier gebe ich Ihnen keine Grafiken vor, versuchen Sie es bitte selbst.

Falls Sie jetzt skeptisch sind und sich fragen, was das alles bringen soll, müssen Sie wissen, dass Sie sich durch diese Zeichnungen selbst von der Sache ein wenig distanzieren. Durch diesen Abstand schaffen Sie den notwendigen Raum für Veränderung, und Sie können darüber hinaus die Problemstellung zusätzlich mit einem  Augenzwinkern betrachten. So besteht für Sie die Möglichkeit, grafisch festzuhalten, wie Sie sich in fünf Jahren als Trader nach einem Fehltrade sehen. Wie sehen Sie aus beziehungsweise wie wollen Sie aussehen? Was hat sich an Ihrem Gesichtsausdruck in den Jahren geändert und was ist dazwischen geschehen, und vor allem – warum ist es geschehen? Sie können diese Zeichnungen noch mit Symbolen wie Blitzen, Glühbirnen oder Sprech- oder Gedankenblasen (wie man sie aus ComicHeften kennt) ergänzen, um ihnen noch mehr Aussagekraft zu verleihen.

Wenn es um Ziele und Zielerreichung geht, gibt es noch eine interessante Frage, auf die die meisten Trader keine Antwort haben: Welche Wünsche oder Sehnsüchte kommen ans Tageslicht, wenn Sie davon ausgehen, vom Trading leben zu können? Denn ist dieses Ziel einmal erreicht, stellt sich danach die viel entscheidendere Frage:

Was wollen Sie dann?

Nehmen wir an, Ihre Grundbedürfnisse in finanzieller Hinsicht könnten Sie mit dem Traden locker erwirtschaften. Essen, Trinken, Wohnen und sogar die Mobilität werden mit Ihren Tradinggewinnen finanziert, und Sie bräuchten sich für einige Zeit keine Sorgen mehr zu machen. Was wären dann Ihre echten Beweggründe, was tun Sie mit dem erwirtschafteten Kapital? Ich kann Ihnen diese Frage nicht beantworten, dass müssen Sie selbst tun. Ich kann Sie nur auffordern, darüber nachzudenken, woher Ihre eigentlichen Motive stammen. Überlegen Sie, wenn Sie an das Geld denken, was Sie damit machen würden, wenn Sie es hätten. Die Antworten können ein größeres Haus, eine Wohnung, ein Auto oder ein aufwendiger Lebensstil sein. Wenn Sie diese Antworten erfasst haben, dann denken Sie darüber nach, warum Sie einen aufwendigen Lebensstil oder ein Haus haben möchten und was Ihnen das gibt. Ist es der Wunsch nach Unabhängigkeit, der Wunsch, in der Natur zu leben und die graue Großstadt hinter sich zu lassen?

Wozu brauchen Sie einen neuen Sportwagen, wollen Sie damit Aufmerksamkeit erregen? Warum wollen Sie Aufmerksamkeit? Wurden Sie als Kind von Ihren Eltern vernachlässigt oder wollen Sie Frauen erobern, weil Sie in Ihrer Jugend zu schüchtern waren und jetzt einen Nachholbedarf haben. Forschen Sie so lange, bis Sie Ihre wahren Gründe kennen, und dann müssen Sie prüfen, ob das Trading überhaupt das richtige Instrument ist, um diese Ziele zu erreichen. Auch wenn dieser Selbstfindungsprozess sehr aufwendig ist, ist er doch wichtig, denn Sie müssen sich unbedingt selbst besser kennenlernen. In Ihren Wünschen liegen auch Ihre Ängste verborgen und wenn Sie Ihre wahren Motive kennen, wissen Sie auch über Ihre Schwächen genau Bescheid. Meist haben Sie vor dem Gegenteil Ihrer Wünsche die größte Angst. So können Sie bei Ihren Ängsten ansetzen, um Fehler zu erkennen, denn Ihre Schwächen werden Ihnen beim Trading sehr zu schaffen machen.

1.3 Allgemeines Fachwissen über die Kapitalmärkte

Welche Fragen muss ich mir unter anderem selbst stellen?

→ Was ist die Aufgabe einer Börse?
→ Welche Finanzinstrumente werden an den Märkten gehandelt?
→ Wie funktioniert die Kursbildung an der Börse?
→ Welche Börsenplätze gibt es und welche Bedeutung haben diese?
→ Was ist ein Future?
→ Was sind Spreads?

Wenn Sie noch wenig über die Kapitalmärkte wissen, sich aber trotzdem von der Materie angezogen fühlen und sich in den Kopf gesetzt haben, es mit dem Trading zu versuchen, müssen Sie zuerst einige allgemeine Fachbücher lesen. Darin sollte erklärt werden, welche Wertpapiere und Finanzinstrumente an den Märkten gehandelt werden und wozu es die Börsen überhaupt gibt. Machen Sie sich auch ein Bild darüber, wie die Kapitalmärkte von der technischen Seite her funktionieren (hier ist nicht die Technische Analyse gemeint).



Sie müssen weiterhin lernen, wer die einzelnen Marktteilnehmer sind, welche Börsenplätze auf der Welt existieren, wie wichtig diese sind und wie sie und die unterschiedlichen Assetklassen miteinander korrelieren. Informieren Sie sich darüber, was ein Future ist, was Spreads sind und wenn Sie Aktien handeln wollen, was Quartalsberichte, ein KGV und eine Dividende sind. Sie müssen auch wissen, was die Börsenkurse grundsätzlich steigen und fallen lässt, aber ich nehme an, dass die Mehrheit der Leser das bereits ohnehin weiß. Wir wollen uns daher nicht mit längeren Erklärungen aufhalten und springen gleich weiter zum nächsten Schritt.

1.4 Technische Analyse

Welche Fragen muss ich mir unter anderem selbst stellen?

→ Wie funktioniert die Technische Analyse vom Grundsatz her?
→ Was ist ein Chart?
→ Welche Arten von Charts gibt es?
→ Was ist ein Trend und was sind seine Bestandteile?
→ Welche Charting-Tools gibt es sonst noch?
→ Welche Zeiteinheiten gibt es?
→ Welche Indikatoren und Oszillatoren stehen zur Verfügung?
→ Wie kann ich dieses gesamte Wissen verknüpfen?
→ Habe ich alternative Möglichkeiten, mich den Märkten zu nähern?

Wenn Sie sich dieses Basiswissen des vorangegangenen Abschnitts über die Kapitalmärkte bereits angeeignet haben, beschäftigen Sie sich als Nächstes mit der Technischen Analyse. Sie müssen zuerst einen Chart lesen und interpretieren können sowie über den Trend und dessen Bestandteile Bescheid wissen. Die Begriffe »Bewegung« und »Korrektur« müssen Ihnen genauso geläufig sein wie »Unterstützung« und »Widerstand«. Ist das verinnerlicht, kommt der nächste Schritt. Dann lesen Sie sich in die japanischen Candlestick-Charts ein. Diese sind den herkömmlichen Liniencharts weit überlegen, weil mehr Informationen aus ihnen herausgeholt werden können. Dieses Wissen über Trends und Candlesticks kann man in der Folge auch schön verknüpfen.

Danach tauchen Sie noch tiefer in die Charts ein und setzen sich mit den unterschiedlichen Zeiteinheiten auseinander. Dann werden Sie langsam erkennen, wie die Dinge alle zusammenhängen. Als Nächstes beschäftigen Sie sich mit Indikatoren und Oszillatoren. Für den Anfang ist man jedoch gut beraten, hier an der Oberfläche zu bleiben, denn der angehende Trader braucht nicht alle Indikatoren und Oszillatoren zu kennen, die es gibt. Ein Basiswissen ist für ihn mehr als genug. Ob man dieses Wissen mit den Jahren dann vertieft und beim Trading einsetzt, ist jedem selbst überlassen. Für erfolgreiches Trading ist es jedenfalls keine zwingende Voraussetzung, denn anhand der Charttechnik bieten sich viele Möglichkeiten, die in diesem Evolutionsstadium mehr als ausreichend sind.

Exkurs – Fundamentale Analyse/Investing

Sie halten hier ein Tradingbuch in den Händen. Trotzdem sollten Sie sich darüber bewusst sein, dass man sich den Kapitalmärkten auf unterschiedliche Weise nähern kann. Sie haben stets die Wahl, ob Sie als Trader oder als Investor auftreten möchten. Obwohl bei manchen Handelsansätzen beide Segmente vermischt werden, verlangen sie im Regelfall jeweils eine ganz andere Herangehensweise, ein anders geartetes Fachwissen und unterschiedliche Tugenden und Talente. Wenn Sie daher nach einigen Jahren Trading immer noch auf keinen grünen Zweig gekommen sind und es einfach nicht schaffen, zum Beispiel Ihre Stopps einzuhalten, sollten Sie sich ernsthaft die Frage stellen, ob dieses Geschäft für Sie überhaupt das Richtige ist. Vielleicht sind Sie von Ihrem Talent her nicht dazu in der Lage, selbstständig zu arbeiten und die theoretisch erlernten Konzepte in der täglichen Handelspraxis umzusetzen. Sie müssen dann so ehrlich zu sich selbst sein und sich eingestehen, dass Sie einfach nicht die nötigen Voraussetzungen für dieses Business mitbringen.

Bevor Sie dann verbittert den Märkten für immer den Rücken kehren, denken Sie darüber nach, ob Sie es nicht auf einem anderen Weg, zum Beispiel als Investor, versuchen könnten. Es mag sein, dass Ihnen dieser Ansatz besser liegt. Auch vor dem Investieren brauchen Sie sich nicht zu scheuen. Sie müssen kein Diplom in Wirtschaftswissenschaften vorlegen, um an den Märkten erfolgreich zu sein. Warren Buffett zum Beispiel verwendet bei seinen Investitionsentscheidungen weitgehend seinen gesunden Menschenverstand, hat zudem die nötige Geduld, einen günstigen Kaufzeitpunkt abzuwarten, und Nerven wie Drahtseile. Diese Kombination macht das Geheimnis seines Erfolges aus. Natürlich können Sie es auch so wie ich machen und in beiden
Bereichen parallel tätig sein. Den meisten Menschen liegt diese duale Vorgehensweise jedoch nicht und sie bevorzugen entweder den einen oder den anderen Handelsansatz.



1.5 Tradingsysteme und Money Management

Welche Fragen muss ich mir unter anderem selbst stellen?

→ Was sind R-Vielfache?
→ Was ist ein Profitfaktor und wie kann ich ihn für mein System nutzen?
→ Was bedeutet Einzelpositionsrisiko?
→ Was bedeutet Gesamtpositionsrisiko?
→ Was ist eine Trefferquote und welche Bedeutung hat sie im Trading?
→ Was ist der Unterschied zwischen Gewinn- und Verlustprogression?
→ Führe ich Backtests oder Simulationen aus?

Für einen Trader sind die Prinzipien der Technischen Analyse nur ein Mosaikstein, wirklich entscheidend für den Erfolg sind hingegen umfassende Kenntnisse über Tradingsysteme, Money Management und alles was sonst noch zu diesem Wissensgebiet dazugehört. Zu diesem Fachgebiet gibt es einige gute Bücher und stellvertretend seien hier die Werke von Van K. Tharp angeführt, der selbst als Trader seit Jahren an den Märkten agiert sowie als Berater und Autor tätig ist – er ist zu einer echten Koryphäe auf diesem Gebiet geworden. Man kann sich auch an die Bücher von Dr. Alexander Elder halten, der ebenfalls als hoch angesehener Fachmann in der Tradingszene gilt.

An dieser Stelle der Ausbildung lernt man unter anderem, das Risiko je Trade zu kalkulieren sowie ein effizientes Controlling und eine gute Buchführung zu betreiben. Außerdem erhält man Hinweise darauf, wie man einen vernünftigen Datenbestand aufbaut und was man dann als Trader damit alles tun kann.

Man liest über Kursziele und wie man sie ermittelt und man beschäftigt sich intensiv mit dem R-Vielfachen und dem Profitfaktor, der Komponente im Trading, die im Endeffekt über den Erfolg oder den Misserfolg eines Systems entscheidet. Man erfährt, dass Trefferquoten nicht die Relevanz besitzen, die ihnen von angehenden Tradern gerne nachgesagt werden, und hört auch erstmals etwas von Portfoliogewichtungen. Weiterhin lernt man etwas über die Slippage (schlechte Kursausführung) und wie sie die Performance schmälert sowie über die Rolle von Gebühren und Kosten, die entscheidenden Einfluss auf den Erfolg haben können.

An dieser Stelle der Ausbildung geht es dem Trader nicht darum, das System X zu finden, sondern darum, die allgemeinen Rahmenbedingungen und Gedankengänge rund um einen solchen Handelsansatz zu verstehen. Man verinnerlicht zuerst in der Theorie, wie man sich ein System auf den Leib schneidert, das langfristig gesehen zu einem passt und einen »positiven Erwartungswert« generieren kann. Zu guter Letzt beschäftigt man sich mit den Themen »Backtesting« oder »Systemsimulation«, um bei Bedarf die ersten selbst zusammengestellten Systeme genauer unter die Lupe nehmen zu können und diese zu testen. Dazu gilt es jedoch, einiges zu beachten:

Exkurs – Übung macht den Meister

In meinen Seminaren werde ich von den Teilnehmern immer wieder gefragt, ob ich ein System teste, bevor ich es anwende, indem ich Simulationen durchführe, oder ob ich » Papertrading« betreibe, wenn ich etwas Neues probiere. Meine Antwort darauf ist immer die gleiche: »Nein«. Ich möchte Ihnen nachfolgend meine Gedankengänge zu diesen Themen präsentieren und meine Gründe für diese Antwort erörtern. Machen Sie sich nach diesem Kapitel dann bitte Ihre eigenen Überlegungen und stellen Sie notfalls eigene Recherchen zu diesen Themen an.

Backtesting

Der Wunsch des Traders, ein System zu testen, bevor man es anwendet, ist nachvollziehbar. Wenn Sie bei einem Winzer eine Flasche Wein kaufen, werden Sie diesen vorher kosten wollen. Besonders dann, wenn es sich um einen teuren Tropfen handelt. Wenn Sie einen Anzug kaufen, werden Sie ihn vorher anprobieren, denn nur aufgrund der Größe ist nicht festzustellen, ob Sie gut darin aussehen und Ihnen der Schnitt passt. Ein Auto wird vorher probegefahren und bei den Tradingsystemen ist es ähnlich, man möchte schließlich einen Beweis sehen, dass es funktioniert. Daher will man die Methode auf Herz und Nieren prüfen, bevor man sein Geld hineinsteckt. Doch da beginnen einige Probleme, auf die ich Sie im Folgenden aufmerksam machen möchte.

Um Systeme zu testen, verwendet man eine große Menge historischer Kursdaten. Den meisten Tradern ist jedoch nicht bekannt, dass es viele Unzulänglichkeiten dieser Datenbanken gibt. Ein großes Problem liegt in der sogenannten » Survivorship Bias« – was so viel bedeutet wie, dass es in diesen Datenbanken nur noch Informationen zu jenen Unternehmen gibt, die bis heute existieren oder überlebt haben, wie der Name es schon ausdrückt. Firmen, die Bankrott gingen oder die fusioniert haben, fehlen in diesen Beständen. Durch diese Datenlücken werden die Ergebnisse der Auswertungen natürlich stark verfälscht.

Weiterhin berücksichtigen diese Tests Faktoren wie Transaktionskosten oder die Slippage nicht, was zu einer weiteren Unschärfe führt. Außerdem fehlt dem ganzen Testprozedere die psychologische Komponente des Tradings, die so ein System schnell kippen lässt. Der Computer geht natürlich immer davon aus, dass alle Trades perfekt ablaufen, was in der Praxis selbstverständlich eine Illusion ist. Diese Gleichung lässt daher so viele Variablen übrig, dass die Ergebnisse aus meiner Sicht nicht mehr zu gebrauchen sind.

Der private Trader braucht sich mit dem Thema »Backtesting« nicht zu beschäftigen.

Meist wird er sich ohnehin diskretionär, also nach freiem Ermessen, den Märkten nähern und da macht ein solcher Test schon gar keinen Sinn! Auch wenn er mit einem vollautomatischen Handelssystem agieren möchte, sollte er die oben angeführten Unzulänglichkeiten kennen. Darüber hinaus braucht der Trader ein gehobenes mathematisches und analytisches Verständnis sowie die passenden Tools, die nicht jeder zur Verfügung hat.



Simulation

Zwischen einem Backtest und einer Simulation besteht ein großer Unterschied. Der Backtest nimmt eine beliebige Methode und prüft, wie diese in der Vergangenheit abgeschnitten hätte. Die Simulation hingegen versucht, die bisherigen Ergebnisse eines Systems in die Zukunft fortzuschreiben. Doch da tritt ein grundlegendes Problem zutage. Die Märkte gelten als nach vorne hin offene Systeme. Das bedeutet, dass die einwirkenden Variablen im Gegensatz zu anderen Systemen, wie zum Beispiel bei einem Glücksspiel wie Roulette, zu jedem gegebenen Zeitpunkt unbekannt sind. Beim Roulette kann immer nur eine von 37 Zahlen kommen, beim Trading ist jeder nur erdenkliche Kursverlauf zu jeder Zeit möglich. Daher können Sie nie die absolute Gewissheit haben, dass ein altbewährtes System auch in der Zukunft funktionieren wird.

Meist versucht ein Trader, ein System mithilfe eines Computers zu simulieren. Dazu kann man ein handelsübliches Tabellenkalkulationsprogramm verwenden. Falls Sie sich dafür interessieren und nicht wissen, wie man so etwas anstellt, finden Sie im Internet bestimmt ein paar Hinweise zu diesem Thema. Die Tücke liegt jedoch auch hier im Detail und auf den Trader kommt ein weiteres Problem zu. Computer arbeiten bekanntlich mit dem binären System, also mit einer Abfolge von Null und Eins. Damit werden alle nur erdenklichen Informationen dargestellt, egal, ob das Spiele, das Internet, Fotos oder Musik sind. Ein Rechner kennt immer nur die Begriffe »ja« oder »nein«, »richtig« oder »falsch«. Deswegen werden Computer auch »determinierte Maschinen« genannt. (Eine nähere Erläuterung zum Begriff » Determinismus« finden Sie in Teil II im Kapitel »Trading, worauf es ankommt«, 2.6.1 »Die grundsätzliche Marktanschauung eines Traders«.)

Das bedeutet, dass bei diesen Maschinen absolut nichts »zufällig« passiert. Computer können keine echten Zufallszahlen produzieren, auch wenn es für uns Menschen so aussehen mag. Diese Zufallsfolge wiederholt sich irgendwann wieder, je nach Rechenleistung kann dies sehr lange dauern oder relativ rasch geschehen, und ab diesem Zeitpunkt ist es mit der Zufälligkeit zur Gänze vorbei. Deswegen sind Computerfachleute heute dabei, immer längere Zufallsreihen zu ermitteln, um dem echten Zufall näherzukommen. Trotzdem, wenn der tollste Algorithmus unabhängig von seiner Länge zu Ende ist, geht die Zahlenreihe einfach von vorne wieder los. Der wirklich reine Zufall ist nicht zu programmieren, weil ein Computer ihn nie darstellen können wird. Diese Tatsache lässt die Aussagekraft computergestützter Simulationen in einem schlechten Licht erscheinen. Auf den Punkt gebracht bedeutet das:

Tradingsysteme können mit Computern nicht realitätskonform simuliert werden!

Wenn Sie jedoch alle diese Einwände nicht hören wollen und auf diesen Tests bestehen, weil es Ihnen dann besser geht, lassen Sie sich von mir nicht aufhalten. Birger Schäfermeier präsentiert in seinem Buch » Die Kunst des erfolgreichen Tradings« einen Weg, wie man Systeme simulieren kann, und geht dabei auch auf manuelle Systemsimulationen – ohne Computer – ein. Der angehende Trader möge bei Interesse das entsprechende Kapitel dieses Buchs ab Seite 233 lesen.

Conclusio »Backtest/ Simulation«

Seien Sie in jedem Fall darauf vorbereitet, dass Sie mit Ihrer Methode trotz bester Tests in der Praxis abweichende Resultate erzielen werden. Das können Sie aufgrund fehlender Daten oder aufgrund der Schwäche von Simulationen nicht verhindern. Wundern Sie sich daher nicht, dass das scheinbar perfekte System bei Ihnen in der Praxis nicht so gut funktioniert, wie es ein Test hätte vermuten lassen. Sie werden unter dem Strich ohnehin nur dann erfolgreich sein, wenn alle Parameter Ihres Handelsansatzes zueinander passen. Der private Trader muss nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen, um die Beute zu erlegen.



Papertrading

Dem Papertrading sollten Sie ähnlich skeptisch gegenüberstehen wie den Backtests und den Simulationen. Jeder, der ein wenig Ahnung davon hat, was zum Börsenerfolg dazugehört, wird die Meinung vertreten, dass Papertrading verlorene Mühe ist. Der Börsenerfolg setzt sich zum Großteil aus psychologischen Komponenten zusammen. Nur ein kleiner Teil des Erfolges ist der angewendeten Methode zuzurechnen. Ein großer Part dieser Erfolgskomponente fällt daher weg, wenn man mit Spielgeld handelt. Sich mit einem Demo-Konto an die Regeln zu halten, bereitet keine Schwierigkeiten. Sie werden kein Problem damit haben, Verluste zu realisieren, und brav Ihre Stopps setzen und diese diszipliniert nachziehen. Auch auf ein voreiliges Glattstellen von Trades werden Sie verzichten und sogar das beliebte Nachlaufen einer Aktie unterlassen Sie – ohne Probleme. Verlusttrade Nummer acht in Serie ärgert Sie keine Spur und dass Ihr Spielkonto bald platt ist ebenso wenig. Wozu auch aufregen? War ja kein echtes Geld, was hier verloren wurde. Warum betreiben Sie dann Papertrading? Was wollen Sie damit lernen?

Der einzige berechtigte Grund, Papertrades auszuführen, liegt meines Erachtens darin, die Handelsplattform des Brokers besser kennenzulernen oder das Handling eines neuen Systems im Hinblick auf die Logistik zu üben. Trading lernen können Sie hingegen nur mit echtem Geld. Arbeiten Sie eine Weile mit einem Demo-Konto, wenn Ihr Broker das zulässt, und gewöhnen Sie sich an die Plattform. Manchmal müssen Sie sekundenschnelle Entscheidungen treffen und da ist es wichtig, dass Sie das Programm im Schlaf bedienen können. Belassen Sie es aber dabei, und betrachten Sie das Papertrading als eine EDV Grundausbildung. Verwenden Sie es keinesfalls, um den positiven Erwartungswert eines neuen Systems zu bestimmen, denn wenn Sie das tun, belügen Sie sich selbst.

1.6 Die Handelsplattform – Der Broker

Welche Fragen muss ich mir unter anderem selbst stellen?

→ Welcher Broker passt zu meinem Handelsansatz?
→ Ist die Software übersichtlich und benutzerfreundlich?
→ Bietet der Broker Seminare und Workshops an?
→ Gibt es eine vernünftige Hotline und wie ist die Erreichbarkeit?
→ Besteht die Möglichkeit, mit einem Demo-Konto zu arbeiten?
→ Wie sieht die Gebührenstruktur aus?
→ Welche Ordermöglichkeiten gibt es?
→ Welche Instrumente werden zum Handel angeboten?

Wenn Sie sich ein Auto kaufen, werden Sie vermutlich sehr lange überlegen, welche Marke und welches Modell es werden soll. Die Entscheidung, die Sie treffen, wird in erster Linie mit Ihren Bedürfnissen zusammenhängen. Möchten Sie ein Stadtauto, wird es wahrscheinlich ein kleines, wendiges Auto sein, das auch in eine enge Parklücke passt. Fahren Sie mit dem Wagen eher dienstlich und noch dazu weite Strecken auf der Autobahn, werden Sie sich wohl für eine größere, bequeme Limousine entscheiden. Es sei denn, Sie sind ein eingefleischter Fan einer bestimmten Automarke und fahren seit Jahren immer den gleichen Wagen.

Wenn Sie vorhaben, ein Tradingkonto zu eröffnen, müssen Sie im Vorfeld ebenfalls einige Recherchen anstellen. Prüfen Sie akribisch, zu welchem Broker Sie gehen und ob er die richtigen Werkzeuge für Sie als Trader anbietet. Kontrollieren Sie auf der Homepage der Anbieter deren Gebührenstruktur, wie diese mit Ihrem Tradingstil harmoniert und ob der Broker sich mit seinem Angebot überhaupt an echte Trader wendet oder eher den Investor bedienen möchte. Informieren Sie sich darüber hi naus, welche Underlyings zum Trading angeboten werden. Die meisten Broker bieten heute den Handel von Aktien genauso an wie den Handel mit CFDs, Rohstoffen oder Devisen. Wie hoch ist die geforderte Mindesteinlage, wie werden die einbezahlten Kundengelder verwaltet und wie sieht es mit einer Einlagensicherung aus? Bietet der Broker Margin-Trading an? Wie hoch ist die zu hinterlegende Margin und haben Sie dafür überhaupt genügend Kapital zur Verfügung?

Wie hoch ist die Grundgebühr je Trade und was kostet Sie ein Round Turn – Kauf, Stopp, Verkauf – einer typischen Oder? Wenn Sie zum Beispiel mit sehr kleinen Positionsgrößen arbeiten, kann eine hohe Grundgebühr Sie Performance kosten oder Ihr System sogar kippen. Wenn Sie Daytrader sind und 20 Trades oder mehr pro Tag ausführen, müssen Sie auf jeden Cent achten, den Sie sparen können. Eine Differenz von 50 Cent je Order (Kauf oder Verkauf) macht bei 20 Trades schon 20 Euro am Tag aus. Die müssen Sie erst einmal verdienen. Werfen Sie bei Margin-Konten auch ein Auge auf die Finanzierungskosten. Wenn Sie Ihre Trades ein wenig länger laufen lassen, müssen Sie darauf aus sein, dass die zu zahlenden Zinsen nicht zu viel von Ihren Gewinnen auffressen.



Prüfen Sie als Nächstes das Handling der Plattform. Versuchen Sie, eine Demoversion vom Broker zu bekommen und nutzen Sie diese. Achtung: Nicht jede Software passt zu jedem Handelsansatz! Manche Programme reagieren eher träge und können für das Trading in kleinen Zeiteinheiten ungeeignet sein. Andere wiederum erlauben es nicht, mehrere Charts parallel zu beobachten. Machen Sie sich schlau, wie es mit der Kursversorgung bestellt ist. Werden Realtimekurse angeboten oder fungiert der Broker als Marketmaker und stellt seine eigenen Kurse? Die Tatsache, dass ein Broker bloß Neartimekurse anbietet muss nicht unbedingt ein Nachteil sein, wenn sich die Spreads in Grenzen halten und er bei der Kursstellung fair agiert. Zu große Spreads sind generell ein Ärgernis, bei bestimmten Handelsansätzen sind sie jedoch absolutes Gift und können für ein System den Todesstoß bedeuten. Im Regelfall sollten sich die Kursspannen bei den Blue Chips im Bereich weniger Cents bewegen, im Idealfall ist es ein Cent. Das hängt aber vor allem vom Kursniveau ab, zu dem ein Wertpapier notiert. Es macht einen Unterschied, ob eine Aktie zu einem Bid-/Ask-Kurs von 3,36/3,39 gehandelt wird oder zu 120,36/120,39. In beiden Beispielen beträgt der Spread 3 Cent, doch im ersten Fall machen diese 3 Cent fast 1 % Kursdifferenz aus, im zweiten Fall ist diese Spanne verschwindend klein und kann daher bei den meisten Handelsansätzen vernachlässigt werden.

Viele Onlinebroker bieten auch kostenlose Einführungsschulungen in ihre Software an. Nutzen Sie diese Angebote. Erstens bietet es sich dort an, Kontakte mit Gleichgesinnten zu knüpfen, zweitens lernen Sie das Handling der Plattform und vielleicht den einen oder anderen Trick, auf den Sie allein nie gekommen wären. Probieren Sie die Software bereits vor so einem Seminar in Ruhe daheim aus und notieren Sie sich alle Fragen, die Sie dazu haben. Lernen Sie unter anderem, wie man Orders oder Kettenorders eingibt, versuchen Sie, sich in die unterschiedlichen Charteinstellungen einzuarbeiten, und betrachten Sie Ihren Kontostand sowie Ihre eingegangenen Positionen. Sie müssen wissen, welche Positionen Sie offen haben, welche ausgestoppt wurden und welche noch auf die Ausführung warten und im System »schweben«. Es ist ärgerlich, am nächsten Morgen festzustellen, dass man eine Position vergessen hat, denn diese hatte sicher keinen Stopp im System, da Sie über deren Existenz ja gar nicht Bescheid wussten. Das kann ins Auge gehen, besonders bei einem Margin-Konto.

Wie steht es um das Charting-Tool, kommen Sie damit zurecht? Werden alle Indikatoren angeboten, die Sie benötigen und können im Chart auch Grafiken und Trendlinien eingezeichnet und gespeichert werden? Können Backtests ausgeführt werden und wie steht es um das Handling dieser Tests? Werden automatisierte Trailing Stopps (Stoppkurse, die an einem bestimmten Differenzwert ausgerichtet sind) angeboten? Wenn ja, in welcher Form? Brauchen Sie diese Stopps überhaupt für Ihre Methode oder kümmern Sie sich lieber selbst um das Trademanagement?

Sie sehen an den vielen Fragen in den letzten Absätzen, dass es bei der Wahl des richtigen Brokers sehr vieles zu beachten gibt. Wahrscheinlich werden Sie mehrere unterschiedliche Angebote testen müssen, um dann eine Entscheidung zu treffen. Im Internet existieren diverse gute, kostenlose Vergleiche zu diesem Thema. Sie müssen sich in jedem Fall einen Broker suchen, der zu Ihnen und zu Ihrer Vorgehensweise passt, denn alle Anbieter haben Vor- und Nachteile. Es gibt weder das perfekte Auto noch den perfekten Broker. Die »eierlegende Wollmilchsau« wurde auch in diesem Bereich leider noch nicht erfunden.

1.7 Börsenpsychologie

Welche Fragen muss ich mir unter anderem selbst stellen?

→ Was bedeutet das Gesetz von Angebot und Nachfrage?
→ Was unterscheidet die Börse vom Alltag und kann ich mit diesen Unterschieden umgehen?
→ Was bedeutet für mich Risiko?
→ Welche Sichtweise habe ich auf meine Verluste?
→ Bin ich bereit, Börsengewinne anzunehmen?

Nun kommt der für einen angehenden Trader schwierigste Teil an die Reihe, denn jetzt geht es um die Entwicklung des passenden Denkens. Leider gibt es nicht besonders viel gute Literatur zu diesem Thema und der Trader wird im Regelfall im Regen stehen gelassen. 

Genau genommen sollte man den psychologischen Teil, was die Wichtigkeit betrifft, in der Ausbildung voranstellen. Wenn man heute jedoch einem angehenden Trader rät, sich als Erstes mit der Börsenpsychologie zu beschäftigen, dann ist das sinnlos. Es fehlt ihm das grundlegende Verständnis für diese Problemstellungen, weil er viele der Ratschläge noch nicht umsetzen kann. Dieser Trader hat die meisten der geschilderten Situationen noch gar nicht am eigenen Leib erfahren und kann daher mit Hinweisen wie »Gewinne laufen lassen, Verluste begrenzen« nichts anfangen. Denn zwischen etwas »verstehen« und etwas »praktizieren« liegen Welten. Natürlich leuchtet auch einem Anfänger ein, dass man Verluste irgendwo abschneiden muss und Gewinne im Gegenzug maximieren soll. Doch kann er es in die Praxis umsetzen? Wohl kaum, denn der Trader muss zuerst bewusst in die Wüste geschickt werden, damit er danach ein Glas sauberes Leitungswasser würdigen kann.



Trotzdem rate ich einem Trader, sich mit diesen Fragen bereits am Beginn seiner Ausbildung vertraut zu machen und das entsprechende Fachwissen aufzusaugen. Es macht nichts, wenn er zu dem Zeitpunkt die eine oder andere Ansicht eines reifen Traders noch nicht teilen kann. Da er sich in diesem Lernprozess ohnehin pausenlos mit sich selbst beschäftigen muss, wird er zwangsläufig immer und immer wieder mit den oben angeführten Problemstellungen (und noch anderen) konfrontiert werden und so langsam die richtige mentale Einstellung zum Trading entwickeln.

Tatsächlich steckt in jeder Seite eines Buches von Altmeister André Kostolany mehr Wissen über die mentale Seite der Spekulation und mehr gelebte Praxis als in den meisten neuen Börsenbüchern über die Technische Analyse zusammen. Was es zum Thema Psychologie en masse gibt, sind Bücher, die in Richtung »Wie werde ich erfolgreich …?« gehen, ohne sich speziell mit den Kapitalmärkten auseinanderzusetzen. Es gibt auch zahlreiche Motivationsbücher und/oder Schriften zum Thema positives Denken. Viele erfolgreiche Trader verwenden auch NLP-Ansätze, die sie in ihrer Entwicklung vorangebracht haben. Diverse Literatur zu den Themen » Selbstvertrauen« und »Selbstwertgefühl« ist ebenso zahlreich vorhanden und kann einen Trader bei seinem Vorhaben unterstützen, denn die Persönlichkeitsentwicklung ist die mit Abstand schwierigste Aufgabe für einen Trader. Doch man muss auf der Hut sein, denn es gibt in diesem Bereich auch sehr viel schlechte Literatur. Hier muss sich der Trader wohl in eine Buchhandlung begeben oder auf den einschlägig bekannten Internetseiten recherchieren und dort ein wenig im Angebot herumschmökern. Ich werde später im Literaturverzeichnis noch das eine oder andere Buch vorstellen, das mir gute Dienste erwiesen hat.

Bitte meiden Sie in jedem Fall Bücher von selbsternannten »Gurus«. Besonders von solchen, die ständig in diversen Medien auftreten oder große Hallen mieten, um den Leuten in diesen Massenveranstaltungen dann den grenzenlosen Reichtum zu versprechen. Wenn man so ein Event verfolgt, hat man das Gefühl, man sei in einer Sekte gelandet. Die Teilnehmer hängen dem Vortragenden derart an den Lippen, dass es einem kalt über den Rücken läuft. Reich wird bei solchen Veranstaltungen meist nur der Referent selbst. Fallen Sie bitte nicht darauf herein, seien Sie skeptisch und benutzen Sie Ihren gesunden Menschenverstand. Alles, was zu gut klingt, um wahr zu sein, ist es dann schließlich auch.

2 Der praktische Teil

Sie haben nun den ersten Durchgang absolviert und von allen theoretischen Detailaspekten, die es für erfolgreiches Trading zu erlernen gilt, die grundlegenden Inhalte aufgesogen. Um eine Analogie mit der Führerscheinprüfung herzustellen: Sie kennen alle Verkehrszeichen sowie die Vorfahrtregeln und Sie wissen, wo sich alle Schalter und Instrumente in Ihrem Auto befinden. Sie haben die Theorie hinter sich gebracht und sind nun bereit für die erste Fahrstunde. Beim Trading gilt jedoch das Gleiche wie beim Autofahren: Sie können noch so viel über die allgemeinen Verkehrsvorschriften oder über den technischen Aufbau eines Motors wissen – um das Autofahren wirklich zu erlernen, müssen Sie Fahrunterricht nehmen, Sie brauchen also Praxis.

Mit dem Fahrunterricht allein ist es aber nicht getan. Wirkliche Praxis erhält man nicht in der Fahrschule, das wissen Sie alle aus der eigenen Erfahrung. Ein wirklich guter Autofahrer wird man erst mit den Jahren. Der Grund dafür ist nicht etwa, dass das Lenken des Fahrzeuges an sich so schwierig wäre, sondern dass ein guter Autofahrer Routine hat, und die kann man nicht erlernen, sondern nur erleben und erfahren. Diese Routine entwickelt man in den Stunden, in denen man hinter dem Steuer sitzt und genauso ist es auch beim Trading. Die Theorie ist schön und gut und ein bestimmtes Maß an Fachwissen ist wichtig, unersetzbar ist hingegen die tägliche Handelspraxis und die kann Ihnen kein Buch und kein Seminar vermitteln. Die müssen Sie erleben und zwar am eigenen Leib, immer und immer wieder! Doch jetzt wollen Sie das Erlernte erstmals mit echtem Geld in die Praxis umsetzen. Sie wissen alles, was für einen angehenden Trader von Bedeutung ist, zumindest auf der theoretischen Ebene, sind voller Selbstvertrauen und wollen endlich loslegen. Wie gehen Sie es an und wie lernen Sie am besten das Trading in der Praxis?

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