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DAX - quo vadis?
Die geldpolitische Wende der US-Notenbank „Federal Reserve“ (kurz: Fed) hat mit einer zeitlichen Verzögerung auch die EZB erreicht. Insbesondere die US-Geldpolitik macht den Aktienmärkten vermehrt zu schaffen. Sowohl beim Dow Jones als auch beim DAX waren zum Wochenschluss neue Jahrestiefststände festzustellen.
Energie-, Kriegs-, Inflations- und Zinssorgen dominieren das Feld
Die Energiekrise, der Russland-Ukraine-Krieg, die hohen Inflationsraten und nunmehr seit vielen Monaten die sukzessiv ansteigenden Zinsen dominieren den Kapitalmarkt.
Die Federal Reserve erhöhte den Leitzins am Mittwoch, den 21. September 2022 nochmals um 75 Basispunkte – die „Target Range“ der „Federal Funds Rate“ liegt nun bei 3,00 bis 3,25 Prozent. In den USA erhöhte die Federal Reserve in diesem Jahr die Zinsen folglich in einem ungeheuren Tempo. Die erste Zinserhöhung seit dem Jahr 2018 fand im März 2022 statt und belief sich auf 25 Basispunkte hinauf auf ein Zinsband von 0,25 bis 0,50 Prozent. In einem halben Jahr hat sich der US-Leitzins demnach mehr als nur verzehnfacht. Wer nun denkt, dass man damit noch eine „sanfte Landung“ der US-Wirtschaft zu steuern vermag, der wird beim Blick auf die aktuelle Aktienmarktsituation eines Besseren belehrt. Zudem dürfte die Fed die Zinsen in den nächsten Monaten – der Blick in das Projektionsmaterial beweist dies – noch locker um weitere 150 Basispunkte erhöhen.
Die Wall Street dominiert und regiert auch das europäische Marktgeschehen
Wer sich nicht erst seit ein paar Monaten mit der Börse beschäftigt, sondern gar Jahre und Jahrzehnte, der wird über den Einfluss der Wall Street auf die europäischen Indizes wie den DAX nicht hinwegsehen können. Sprüche wie „…wenn die Wall Street niest, kriegt Europa den Schnupfen“ oder „…wenn die Wall Street hustet, bekommt der DAX eine Erkältung“, kommen nicht von Ungefähr. Die Marktentwicklungen an der Wall Street sind bis heute maßgeblich für die Kursentwicklungen an den europäischen Handelsplätzen. Diesen Fakt sollte man immer bedenken und mit in seine Handelsentscheidungen einfließen lassen.
DAX nun gefangen im Bärenmarkt? Die führenden US-Indizes lenken den DAX mit
Die US-Aktienmärkte strahlen nicht nur negativ auf die führenden und umsatzstärksten europäischen Aktienindizes aus. Obendrein ist Europa und explizit die Eurozone mit den zum Teil tragischen Auswirkungen der Energiekrise geplagt, die in erster Linie auch die wichtigen Währungen Euro und das britische Pfund gegenüber dem US-Dollar stark schwächen.
Der deutsche Leitindex DAX wies mit dem Schlusskurs vom Freitag, den 23. September 2022 mit 12.284,19 Punkten seit dem Jahresbeginn 2022 ein Minus von 22,67 Prozent auf. Zum Vergleich: Der S&P500 wies im Vergleichszeitraum mit 3.693,23 Punkten ein Minus von 22,51 Prozent auf. Beide Indizes erfüllen demnach per definitionem den Status „Bärenmarkt“.
Bärenmärkte kommen und gehen - ist dieses Mal alles anders? Das sogenannte „Licht am Ende des Tunnels“ ist noch nicht wirklich in Sicht. Bis zu einer nachhaltigen Erholungsbewegung könnte es somit wohl noch etwas dauern. Die Einstufungen und erst recht die Dauer von Bärenmärkten haben schon viele Analysten, Volkswirte und auch Wirtschaftsforscher untersucht. Als Referenzindex wird aufgrund seiner Bedeutung und auch verfügbaren Indexhistorie meist der marktbreite US-Index S&P500 herangezogen.
Der längste Bärenmarkt der Börsengeschichte der letzten 100 Jahre dauerte von März 1937 bis zum April 1942 (die Rezession dauerte in diesem Zusammenhang von Mai 1937 bis zum Juni 1938 an) an und betrug 62 Monate, wie es beispielsweise Wirtschaftsforscher und Nobelpreisträger Robert Shiller hervorhob. Blickt man auf ausgewählte Zeiträume länger andauernder Bärenmärkte und auch einer Periode mit einer länger andauernden Rezession, so stechen die Zeiträume 1973/1974 und 1980/1982, sowie 2000/2022 und 2007/2009 hervor.
Ein Sonderfall wäre das Jahr 2020 (der Bärenmarkt dauert nur einen Monat an, der Kursrückfall belief sich auf rund 34 Prozent und die Rezession dauerte nur von Februar 2020 bis April 2020 an). Die uns Marktteilnehmern wohl noch recht im Gedächtnis präsente Weltfinanzkrise soll einmal als führendes Negativbeispiel herhalten. Der Bärenmarkt begann im Oktober 2007 und dauert insgesamt 17 Monate bis zum März 2009. Die Rezession begann im Dezember 2007 und dauerte bis Juni 2009.
Sichtet man die Bärenmärkte und Rezessionen der letzten Jahrzehnte, so registrierte man im Schnitt einen Zeitraum von rund 6 Monaten vom Beginn eines Bärenmarktes bis zum Beginn einer Rezession. Auf Sicht der letzten 100 Jahre jedoch dauerten die Bärenmärkte und Rezessionen im Durchschnitt 24 Monate. Überträgt man dies nun auf die Gegenwart, so wäre für das vierte Quartal 2022 und das erste Quartal 2023 bereits mit einer Rezession zu rechnen, doch enden könnte die Rezession dadurch noch lange nicht.
Über allem schwebt das Inflationsgespenst und es will einfach nicht verschwinden. Seit vielen Monaten werden die Volkswirtschaften der USA und auch der Eurozone schon mit hohen Inflationsraten geplagt. Parallel dazu kann man ein nur noch schleichendes Wirtschaftswachstum konstatieren. Der Mix daraus kann uns in den USA und Europa schnell ein neues Risiko bescheren, nämlich die Stagflation. Es sind folglich nicht ganz so rosige Aussichten für den DAX.
DAX – der Blick in den Chart
Die vorliegende Analyse des DAX erfolgt im Tageschartbild – als Referenz wird der Kurs via Xetra herangezogen. Um die nächsten Ziele für die Bullen und Bären näher technisch ermitteln zu können, wäre auf eine Fibonacci-Analyse abzustellen. Die jeweiligen Fibonacci-Retracements und Fibonacci-Projektionen wären dann zur Ermittlung der Ziele zur Ober- und Unterseite heranzuziehen. Hier wäre insbesondre auf die langfristige Analyse vom Vor-Corona-Hoch bis zum Corona-Crash abzustellen.
Ausgehend vom Zwischenhoch des 17. Februar 2020 von 13.795,24 Punkten bis zum Zwischentief des 16. März 2020 von 8.265,65 Punkten, wären die nächsten Widerstände bei den Marken von 12.487,90 Punkten (76.40 Prozent) und 13.795,24 Punkten (100.00 Prozent) abzuleiten. Die nächsten Unterstützungsbereiche wären bei 11.679,12 Punkten (61.80 Prozent), 11.025,45 Punkten (50.00 Prozent) und 10.371,77 Punkten (38.20 Prozent) zu ermitteln.
Der Blick auf den Relative-Strength-Index (RSI) verrät mit 33,78 Punkten noch eine neutrale Marktverfassung. Dem Chartbild wären hier neben dem beiden EMAs (EMA 100 in blauer Farbe und EMA200 in roter Farbe) auch Rechtecke zum Zwecke der Visualisierung der etwaigen Kurszielbereiche für die Bullen (in grüner Farbe) und für die Bären (in roter Farbe) hinzugefügt. Zur Oberseite wäre der Test der alten Nackenlinie rund um die Marke von 14.819 Punkten und zur Unterseite der Test des 61.80prozentigen Fibonacci-Retracements von 11.679,12 Punkten anheimzustellen.
Autor: Dirk Friczewsky
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