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USD/JPY: Geht der Mutter der Carry Trades bald die Luft aus?
Die „Bank of Japan“ (BoJ) trieb die japanische Landeswährung „Yen“ zuletzt immer weiter in den Keller – der Hauptgrund ist das Festhalten an der lockeren Geldpolitik. Der Gouverneur der Bank of Japan – Haruhiko Kuroda – gab auch jüngst zum Ausdruck, dass man am negativen Leitzins von 0,10 Prozent festhalten werde. Kuroda gilt als der Vater der ultralockeren Geldpolitik in Japan und hat das Amt des BoJ-Gouverneurs bereits seit dem Jahr 2013 inne (zuvor bekleidete Kuroda das Amt des Präsidenten der asiatischen Entwicklungsbank „ADB“ (Asian Development Bank)). Mit seinen geldpolitischen quantitativen Lockerungen öffnete Kuroda der sprichwörtlichen „Mutter der Carry Trades“ nicht nur einmal Tür und Tor. „Mutter der Carry Trades“ deshalb, weil es sich beim Währungspaar USD/JPY um das zweitliquideste Währungspaar weltweit handelt – historisch betrachtet kam es in den letzten Jahrzehnten immer wieder zu erheblichen Kapitalabflüssen aus Japan hin in die USA. Man kann dies wohl auch als gigantischen Export von Kapital bezeichnen, das einen rentableren Hafen sucht – in diesem Fallbeispiel die USA. Der ultimative Carry Trade also, geboren im Land der aufgehenden Sonne aufgrund der Niedrigverzinsung und seit 2016 auch Negativverzinsung, mit dem Ziel Kapital in einer höher verzinsten Währung anzulegen.
Frau Watanabes Carry Trades
Im Fall des Carry Trades im Währungspaar USD/JPY ist es neben den vielen Kapitalanlagegesellschaften und jedweden institutionellen Investoren, Hedgefonds und ähnlichen Gesellschaften auch die japanische Hausfrau, die oft beispielhaft als „Frau Watanabe“ bezeichnet wird (Watanabe ist in Japan so häufig wie Meier, Müller Schulze in Deutschland) und die es als Verwalterin der Haushaltskasse und der Spareinlagen der Familie oft auch mit dem Geld ins Ausland zieht und somit auch in die USA. Schon weit vor der Corona-Krise im Jahr 2016 schritt die BoJ in ihrer expansiven Geldpolitik vehement voran und drückte den Leitzins in den negativen Bereich auf -0,10 Prozent. An diesem Leitzins hat sich in Japan bis heute nichts geändert.
Nahrung für den Carry Trade
Quantitative Lockerungen der BoJ gaben dem Carry Trade schon vor Jahren Nahrung. In einer Zinswelt mit einem US-Zinsband (Target Rate) von 0,00 bis 0,25 Prozent kann Frau Watanabe mit ihrem Carry Trade weniger glänzen, könnte man eigentlich meinen, weil doch die Zinsdifferenz zwischen dem US-Dollar und dem japanischen Yen nicht ausreichend hoch ist. Weit gefehlt. Allein die Maßnahmen der Bank of Japan mit den immer weiter ausgebauten Programmen zur quantitativen Lockerung seit dem Jahr 2013 ließ den Yen schrittweise zum Greenback abwerten. Diese Abwertung war sogar recht massiv, denn von Anfang 2013 mit Kursen von USD/JPY 85,00 ging es bis zum Juni 2015 auf über USD/JPY 125,00 hinauf. Ein prächtiger Kursgewinn, der „Frau Watanabe“ ordentlich Rendite allein durch das Wechselkursverhältnis bescherte.
Exkurs - aktuelle Inflation in Japan
Die Zinsmisere in Japan wird vor allem aufgrund der weiterhin noch recht moderaten Inflation von der Bank of Japan gerechtfertigt. Am 24. Juni 2022 wurde der Mai-Verbraucherpreisindex für Japan vom „Statistics Bureau of Japan“ ausgewiesen. Der Preisauftrieb in Japan hielt sich bis dato weiter noch in Grenzen, dennoch lag man in Japan nunmehr den zweiten Monat in Folge oberhalb des Zweiprozent-Inflationsziels, dass sich die japanische Notenbank zur Verteidigung der Preisstabilität einst auf die Fahnen schrieb. Für den Monat Mai stiegen die Verbraucherpreise in Japan auf Sicht zum Vorjahresmonat Mai um 2,3 Prozent. Alles noch im Rahmen könnte man nun sagen und dies vor allem, wenn man die Vergleiche zu den USA, zur Eurozone oder zu Großbritannien und weiteren westlichen Ländern zieht. Doch bekanntlich können sich die Zeiten schnell ändern, Marktevents wie der Russland-Ukraine-Krieg und die dadurch weiter stark gestiegenen Rohstoffpreise bringen auch das von Rohstoffimporten abhängige Japan in die Zwickmühle. Im Falle weiter sinkender Notierungen von USD/JPY steigt auch die negative Auswirkung einer „importierten Inflation“, da Rohstoffe nun einmal größtenteils in US-Dollar fakturiert werden. Der Status Quo mit einem BoJ-Leitzins von -0,10 Prozent soll hier einmal als Basisszenario aufrechterhalten werden. Dies würde also voraussetzen, dass Kuroda und seine Kollegen den Leitzins auf absehbare Zeit beibehalten.
Fed mit straffer Geldpolitik – Zinserhöhungen und QT zünden den Carry Trade-Turbo
Zu einer enorm starken Abwertung des Yen kam es aber besonders seit dem Beginn des Jahres 2022. Hier dürfte „Frau Watanabe“ ebenso mächtig Kasse machen, wenn sie sich rechtzeitig aus dem Carry Trade verabschiedet. Parallel zu den Wechselkursgewinnen addieren sich jedoch auch aufgrund der enormen Zinsdifferenzen Zinsgewinne hinzu. Seit dem Beginn des Jahres 2022 mit Kursen von etwa USD/JPY 114/115 zog es das Währungspaar getrieben von der wesentlich strafferen Geldpolitik der Federal Reserve auf zuletzt fast USD/JPY 137 und damit auf ein Hoch, das man zuletzt im September 1998 sah.
Seit der Lancierung der geldpolitischen Wende durch die US-Notenbank „Federal Reserve“ (Fed) weitete sich die Zinsschere zwischen dem Yen und dem US-Dollar mächtig zugunsten des Greenback. Bei den gleichbleibenden -0,10 Prozent in Tokio und dem derzeitigen Zinsband (Target Rate) von 1,50 bis 1,75 Prozent in Washington klafft bereits eine Zinsdifferenz von zumindest 160 Basispunkten. Diese Zinsdifferenz dürfte sich in den nächsten Monaten und darüber hinaus weiter ausweiten. Derzeit ist für den FOMC-Leitzinsentscheid am 27. Juli 2022 mit einem weiteren Zinserhöhungsschritt von 75 basispunkten zu rechnen. Allein bis zur Dezember-Sitzung am 14. Dezember 2022 preist man am Terminmarkt derweil eine Target Rate im Bereich von zumindest 3,25 bis 3,50 Prozent mit einer über 70prozentigen Wahrscheinlichkeit ein. Folglich dürfte die Zinsdifferenz in den nächsten Monaten mit einer stillhaltenden BoJ bei locker 335 Basispunkten liegen. Da winken über Nacht im Kassahandel ordentlich positive Swaps für jeden Halter von USD/JPY-Long-Positionen im Stil von „Frau Watanabe“. Parallel zu den Zinserhöhungen begann die Fed seit dem Juni auch ihr QT-Programm – dem so genannten „Quantitative Tightening“ (Bilanzreduzierungsmaßnahmen der Fed) und wird dieses gemäß ihrer Ankündigung auch ab September vom Volumen her verstärken. Über einen Zeitraum von 12 Monaten dürfte die Fed ihre Bilanz im Volumen von rund einer Billionen US-Dollar (997,5 Milliarden US-Dollar um genau zu sein) erleichtern. Die Zinserhöhungen der Fed und auch das QT-Programm dürften im USD/JPY-Kurs schon als sehr stark eingepreist gelten.
Die Frage, die sich bei jedem länger laufenden Carry-Trade stellt ist das Timing des Ausstiegs. Ab wann beginnt man mit der schrittweisen Auflösung des Carry Trades, denn selbst bei gleichbleibenden Zinsen in Japan von -0,10 Prozent könnte sich die Zinsschere zum US-Dollar wieder verengen. Warum dies? Nun allein der Blick auf die Fed-Projektionen würde schon ausreichen. Die Fed-Projektionen wurden parallel zur letzten Juni-FOMC-Sitzung publiziert und indizieren für das Jahr 2024 schon wieder fallende Zinsen – die Federal Funds Rate soll im Schnitt in 2024 bei 3,4 Prozent liegen (in 2023 liegt dieser Wert bei 3,8 Prozent) und längerfristig auf 2,5 Prozent zurückfallen. Dies dürfte dem japanischen Yen somit etwas Raum für eine zwischenzeitliche Erholung geben. Ohnehin gilt dieser als enorm überverkauft.
USD/JPY im Chartcheck
Die vorliegende Analyse erfolgt im längerfristigen Wochenchartbild des Währungspaares USD/JPY. Die nächsten Kursziele für die Bullen und Bären könnten mittels einer Fibonacci-Analyse näher definiert werden. Ferner wären hier zur Zuhilfenahme noch die exponentiell gleitenden Durchschnitte (Exponential Moving Averages – kurz EMA), sowie der Oszillator „RSI“ (Relative Strength Index) hinzuzufügen. Die EMA100 wird hier in blauer Farbe dargestellt, die EMA200 in roter Farbe. Der RSI wies zum Zeitpunkt dieser Analyse mit 72,49 Punkten eine technisch überkaufte Marktverfassung auf.
Ausgehend vom Zwischenhoch aus der ersten Juni-Woche 2015 von 125,853 bis zum letzten Zwischentief der dritten Juni-Woche 2016 bei 98,971, wären die Ziele zur Ober- und Unterseite abzuleiten. Die Widerstände fänden sich bei den Fibonacci-Projektionen zur Oberseite von 136,122 (138.20%) und 142,466 (161.80%). Die Unterstützungen wären bei der Fibonacci-Projektion von 133,165 (127.20%) und bei der Marke von 125,853 (100.00%) zu ermitteln.
Autor: Dirk Friczewsky
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