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Fibonacci — Berechnung von Retracements (Thomas May 2)

Märkte bewegen sich in Trends, die sich in eine Abfolge von Bewegungen und Korrekturen unterteilen lassen. Um das Kurspotenzial eines Trends und die Bedingungen für den Fortbestand des Trends zu ermitteln, nutzt man Fibonacci‑Verhältniszahlen.

Thomas May

Trader Godmode Thomas May.


Retracements und Extensionen

Das Potenzial wird mit Extensionen berechnet. Sie sind prognostisch in die Zukunft gerichtet und können die Reichweite einer laufenden Bewegung ermitteln. Das heißt, sie unterstützen den Anleger dabei, mögliche künftige Kursziele und spätere Wendemarken eines Trends im Chart einzutragen oder bereits durch andere Methoden abgeleitete Ziele zu verifizieren.

Retracements beschreiben dagegen den Grad beziehungsweise die prozentuale Länge des Rücklaufs einer Kursstrecke im Verhältnis zur vorangegangen, entgegengesetzten Handelsspanne.

Retracements haben drei Eigenschaften beziehungsweise Interpretationsansätze:

1 . Sie ermitteln Rücklaufzonen, also potenzielle Korrekturniveaus eines Trends, falls sich der Basiswert vorübergehend in die Gegenrichtung bewe‑ gen sollte . Daher werden sie in der Literatur oftmals als markante Unterstützungsniveaus gesehen .

2 . Noch größere Bedeutung haben sie allerdings als Messinstrument für den Grad der Intaktheit eines Trends oder einer seiner Teilbewegungen. Sie  ermöglichen Aussagen darüber, ob ein vorherrschender Trend weiterhin besteht oder durch eine Korrektur so weit unterbrochen wurde, dass der Trend mindestens in eine Seitwärtsphase oder gar eine Trendwende übergeht.

3 . Zuletzt helfen Retracements, die grundsätzliche Unterscheidung zu treffen, ob eine untersuchte Handelsstrecke eine Korrektur darstellt oder eine Trendbewegung.

Fibonacci‑Verhältnisse segmentieren den Kursverlauf in gegen und mit dem Trend gerichtete Preisbereiche. Wie der Name »Verhältniszahl« schon beschreibt, handelt es sich hierbei um Verhältnisse zwischen einzelnen Fibonacci‑Zahlen, deren Relation als Berechnungsbasis verschiedener relevanter Kursniveaus dient.

Berechnung von Retracements

0,618-Retracement

Das wichtigste Retracement wird berechnet, indem man eine Fibonacci‑Zahl durch die nächsthöhere dividiert.

Das Ergebnis dieser ersten Division nähert sich dem Wert 0,618 an (dem Kehrwert von Φ). In Bezug auf die Korrektur der Strecke einer Bewegung wird alternativ von 61,8 Prozent gesprochen.

Es spielt im Trading beziehungsweise in der Analyse die absolut entscheidende Rolle, da es intakte von unterbrochenen Trendbewegungen und Bewegungen von Korrekturen unterscheidet. Denn jede Bewegung, die weniger als 61,8 Prozent retraced wurde und der ein Ausbruch über das bisherige Extremum der Bewegung (also den höchsten Punkt im Rahmen eines Aufwärtstrends beziehungsweise tiefsten Punkt im Rahmen eines Abwärtstrends) nachfolgt, bestätigt, dass dieser Trend weiter intakt ist. Damit ist dieses Niveau die Demarkationslinie zwischen Trendfortsetzung und Stagnation.

Bis 61,8 Prozent des vorherigen Trends ist eine Korrektur ohne Einfluss auf die Intaktheit der Bewegung, ab 61,8 Prozent ist diese Trendphase mindestens unterbrochen und der Übergang in eine Seitwärtsphase vollzogen (vgl. Abbildung 3).

Wird also das Fibonacci‑Werkzeug der Chartsoftware in Bewegungsrichtung eingezeichnet und das auf der Bewegungsstrecke berechnete Retracementlevel bei 38,2 Prozent im Rahmen einer künftigen Korrektur nicht tangiert, bleibt die Bewegung mit entsprechendem künftigem Potenzial intakt.

Überwindet der Kurs dagegen dieses Niveau, handelt es sich bei der vorangegangenen Handelsstrecke entweder um einen jetzt unterbrochenen Trend oder selbst um eine Korrektur. In letzterem Fall könnte die Entwicklung, die zum Bruch des 38,2‑Prozent‑Retracementpunktes und damit zu einem Retracement von über 61,8 Prozent führen würde, Teil einer neuen Bewegung sein.

Abbildung 3: Retracement von weniger (blau) und mehr als 61,8 Prozent (rot)

Fibonacci

Rückblickend auf den Zusammenhang zwischen Fibonacci‑Verhältnissen und der Zahl Φ, die das Maß für intaktes Wachstum ist, kann man die  besondere Bedeutung dieser Ratio ableiten: Als Kehrwert von Φ, der normalen Verände‑ rungsrate im Wachstumsprozess der Fibonacci‑Zahlenreihe, ist es das Niveau, bis zu dem trotz einer Korrektur weiterhin natürliches Wachstum in die Trendrichtung möglich bleibt . Wird das Niveau dagegen unterschritten, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein neuer Wachstumsprozess – nur diesmal in die entgegengesetzte Richtung – eingesetzt hat.

0,382-Retracement

Dividiert man eine Fibonacci‑Zahl durch die jeweils übernächste (zum Beispiel 13 : 34), nähert sich der Wert des Ergebnisses dem zweiten wichtigen Verhältnis an: 0,382 beziehungsweise 38,2 Prozent. Hierbei handelt es sich vereinfacht gesagt um ein normales Korrekturniveau, das an den Märkten regelmäßig nach Trendphasen angesteuert wird. In der Regel wird in einer der Bewegung folgenden Korrektur das entsprechende 61,8‑Prozent‑Retracementlevel zumindest erreicht, meist unterschritten.

Ein Rücksetzer um knapp über ein Drittel der vorherigen Handelsspanne ist also der Normalfall. Nur in seltenen Fällen sind Bewegungen derart impulsiv, dass sie bereits weit vor dem Erreichen dieses Korrekturniveaus wieder in Trendrichtung abdrehen. Setzt eine Korrektur ein, die nicht in der Lage ist, die vorherige Bewegung um 38,2 Prozent zu retracen, deutet dies also darauf hin, dass diese ursprüngliche Bewegung noch nicht abgeschlossen ist und da‑ her jederzeit ausgedehnt werden kann. Das heißt, bei einem Ausbleiben einer 38,2‑Prozent‑Korrektur können im Aufwärtstrend jederzeit neue Hochs, im Abwärtstrend jederzeit neue Tiefs ausgebildet werden, ehe es zu einer Korrektur kommt, die dann mindestens auf ein Niveau nahe 38,2 Prozent der Bewe‑ gung zurückführt.



Konstruktion im Chart – Unterscheidung Retracement und Retracementlevel

Ausgangspunkt für das Einzeichnen im Chart ist immer die Suche nach dem Startpunkt einer Handelsstrecke, an dem das 0‑Prozent‑Niveau des Fibonacci‑ Tools angesetzt und bis zum ersten oder aktuellen Endpunkt der Strecke aufgespannt wird. Der Endpunkt wird gleichgesetzt mit dem 100‑Prozent‑Niveau in Bezug auf diese Spanne. Hierauf werden die relativen prozentualen Fibonacci‑Verhältnisse zur Berechnung der absoluten Fibonacci‑Marken im Kurs angewandt und die entsprechenden Ergebnisse in den Chart eingetragen.

Abbildung 4: Retracements (blau) in verschiedenen Trendphasen

Fibonacci Retracements.

Wie Sie in Abbildung 4 sehen können, erscheint im Chart die Reihenfolge 0 Prozent – 32,8 Prozent – 61,8 Prozent – 100 Prozent in Richtung der untersuchten Strecke. Dazu muss erklärt werden, dass der Begriff Retracement den prozentualen Umfang der Strecke meint, der innerhalb einer Gegenbewegung im Verhältnis zu dieser Strecke zurückgelegt wurde . Man könnte statt Retracement auch von Gegenanstieg, Korrektur oder bei Abwärtstrends von einer Erholung sprechen. Das Retracementlevel erhält seinen Prozentwert dagegen dadurch, dass man das Fibonacci‑Werkzeug in Bewegungsrichtung einzeichnet. Daher hat ein Retracementlevel die genau umgekehrte Prozentangabe wie das zugehörige Retracement, welches das prozentuale Ausmaß der Gegenbewegung misst:

Erreicht eine Korrektur die eingezeichnete 61,8‑Prozent‑Marke der vorherigen Handelsstrecke, so hat die Korrektur 38,2 Prozent dieser Spanne retraced . Wird dagegen das 38,2‑Prozent‑Niveau erreicht, handelt es sich um eine Korrektur, die im Rahmen ihres Verlaufs 61,8 Prozent der vorherigen Spanne zurückreichte.

Wird im weiteren Verlauf also von Retracement gesprochen, meint dies die preisliche und auf eine vorherige Spanne berechnete prozentuale Reichweite einer Korrektur. Ist von einer Retracementmarke, einem Retracementniveau oder -level die Rede, sind die inneren Prozentverhältnisse der mit dem Fibonacci-Werkzeug in Bewegungsrichtung eingezeichneten Spanne gemeint.

Innerhalb der drei Retracementbereiche weisen die Teilstrecken 0 bis 38,2 Prozent und 61,8 Prozent bis 100 Prozent immer die gleiche preisliche Distanz auf. Daher könnte man genauso gut von einem oberen beziehungsweise nahen (61,8 Prozent) und einem unteren beziehungsweise fernen (38,2 Prozent) Retrace mentlevel sprechen.

Interpretation der beiden wichtigsten Retracements

Retracements markieren zwei wichtige Niveaus innerhalb der untersuchten Preis‑ spanne: das ideale Mindestkorrekturziel vor der möglichen Wiederaufnahme der Trendbewegung (38,2‑Prozent‑Retracement) und das Niveau, bei dessen Bruch die untersuchte Preisspanne entweder als beendete (Teil‑)Bewegung beziehungsweise als Korrektur klassifiziert werden kann (61,8‑Prozent‑Retracement).

Will man die verschiedenen Ausmaße, welche die Korrektur eines laufenden Trends annehmen kann, vereinfacht zusammenfassen beziehungsweise die Stärke des erreichten Retracements klassifizieren, kann man festhalten:

1/ Korrekturen bis 38,2 Prozent der Bewegung sind stark trendbestätigend.

2/ Korrekturen bis 61,8 Prozent der Bewegung haben einen normalen Umfang und sind trendbestätigend.

3/ Korrekturen, die weiter als 61,8 Prozent zurückführen, neutralisieren die Trendbewegung. Hier kann zunächst vom Beginn einer Seitwärtsbewegung ausgegangen werden . Neue Höchst‑ oder Tiefststände im Rahmen des übergeordneten Trends sind aber weiterhin möglich.

4/ Korrekturen, die über 100 Prozent retracen – also unter den Ausgangspunkt der Bewegung zurückführen – beenden diese Trendbewegung.

5/ Wird eine initiale Handelsstrecke, die gegen eine vorherrschende Kursrichtung verläuft, nicht mehr als 61,8 Prozent retracted, kann dies den Auftakt für einen neuen Trend einläuten. Wird eine solche Strecke dagegen mehr als 61,8 Prozent retracted, handelt es sich um eine Korrektur und der ursprüngliche Trend wird mit hoher Wahrscheinlichkeit fortgesetzt.

6/ Korrekturen im Trend werden dagegen um mindestens 61,8 Prozent durch eine Trendbewegung retraced.

7/ Grundsätzlich haben Strecken, die um mehr als 61,8 Prozent retraced werden, den Charakter einer Korrektur. Die Ausnahme bilden Teilstrecken eines größeren, aus mehreren Bewegungen und Korrekturen zusammengesetzten Trends, die mehr als 61,8 Prozent retraced wurden. In diesem Fall ist nur ein Teil der gesamten Bewegung neutralisiert worden und damit der Startschuss für eine Korrektur entgegen dem Haupttrend gefallen. Neue Hochs sind dabei möglich, die Wahrscheinlichkeit für eine extensierende Bewegung in Trendrichtung jedoch gesunken.



Untergeordnete Retracements

Neben den beiden Hauptretracements gibt es eine Vielzahl untergeordneter Retracements, die sich aus weiteren Fibonacci‑Verhältnissen ableiten lassen. Eines dieser Retracementniveaus erhält man durch die Division einer Fibonacci‑Zahl durch die dritthöhere, also zum Beispiel durch die Division von 21 : 89. Das Ergebnis nähert sich dem Wert 0,236 beziehungsweise 23,6 Prozent an. Sein Gegenstück ist das 76,4-Prozent-Retracement.

Die Retracements 76,4 Prozent, 23,6 Prozent, 14,6 Prozent und andere haben für die Analyse von Einzelbewegungen oder ‑korrekturen nur geringe Bedeutung. Will man aber zum Beispiel die Unterstützungen einer großen, preislich wie zeitlich ausgedehnten Trendbewegung, ohne in den tieferen Zeitebenen eine genaue Untersuchung des Verlaufs durchzuführen, können untergeordnete Re‑ tracements Verwendung finden. Dadurch, dass raumgreifende Trendphasen in der Regel aus einer Vielzahl kleinerer Trendbewegungen aufgebaut sind, fallen die relevanten Retracements 38,2 Prozent und 61,8 Prozent dieser Teilbewegungen oft mit den untergeordneten Retracements des gesamten Trends zu‑ sammen. Daher bietet es sich an, die untergeordneten Retracements, die auch näher am Kurs liegen, zu untersuchen und mit ihnen Signalniveaus abzuleiten. In diesem Fall kann das 76,4‑Prozent‑Niveau als Mindestkorrekturniveau gesehen werden und eine Rolle als Frühwarnsystem für eine anstehende stärkere Gegenbewegung spielen (vgl. Abbildung 5).

Abbildung 5: Beispiel für ein 76,4-Prozent-Retracementlevel, an dem zunächst eine Erholung einsetzte, deren Bruch später zum Erreichen des 61,8-Prozent-Levels führte (DAX Index, Wochen-Chart).

Fibonacci-Analyse



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