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J. Welles Wilder: ADX auf dem Prüfstand
Es war im Jahre 1978, als Welles Wilder, der Erfinder des RSI, einen neuen Indikator entwickelte. Dieser sollte ihm zeigen, wann ein Instrument sich in einem Trend und wann in einem Seitwärtsmarkt befindet. Es handelt sich also nicht um ein Tool zur Signalgenerierung, sondern um einen Filter, der bei Auswahl des richtigen Analysetools unterstützen soll. Wir sprechen vom Average Directional Movement Index, abgekürzt ADX. Ein weiterer komplexer Indikator aus der Feder von Welles Wilder, dessen Entwicklungen für viele Handelssignale zum Einsatz kommen. Vorgestellt wurde der ADX im Klassiker „New Concepts in Technical Trading Systems“.
KOMPLIZIERTER ADX
Welles Wilder scheint ein Fan komplizierter Formeln zu sein. Man kann das an verschiedenen Beispielen seiner Entwicklungen sehen, beispielsweise auch an der bekannten Average True Range. Zur Berechnung des ADX sind mehrere Zwischenschritte notwendig. Zunächst wird der Indikator Directional Movement (DM) aus der Lage der letzten beiden Balken zueinander ermittelt. Dieser wird mit der True Range kombiniert und dann werden zwei Indikatoren daraus abgeleitet. Der DM kann entweder positive oder negative Wert annehmen, wie Bild 1 zeigt. Je nach Kursverhalten gibt es verschiedene Wertigkeiten. Inside- und Outsidedays bekommen den Wert Null, wie die beiden letzten Beispiele 7 und 8 zeigen.
Bild 1. Berechnungsart für ADX-Bestandteile. Je nach Range des Balken bekommen +DI und –DI Daten zugeordnet, die dann umgewandelt werden. Zu sehen sind die acht verschiedenen Arten der Zuordnung.
Nach der Bestimmung der direktionalen Bewegung (Directional Movement), wird der Directional-Indikator berechnet. Hierfür wird die True Range (TR) benötigt. Der Directional-Indikator wird dann durch eine Division des Directional Movements mit der True Range ermittelt. Das Ergebnis kann positiv (+DI) oder negativ (-DI) sein. Aus diesen beiden Indikatoren wird zum Schluss der ADX ermittelt. Das hört sich alles sehr kompliziert an, ist aber mit heutigen Chartprogrammen sehr einfach darzustellen. Schwieriger wird es dagegen mit der Interpretation.
Die Relation zwischen positiven und negativen Directional-Indikatoren signalisiert Trends. Wenn beispielsweise der +DI oberhalb des -DI ist, befindet sich das untersuchte Instrument in einem Aufwärtstrend. Steigt -DI nach oben, gab es einen Trendwechsel vom Aufwärts- in einen Abwärtstrend. Die Schnittstellen von +DI und -DI generieren Kauf- und Verkaufssignale. Der ADX ist ganz einfach der absolute Abstand zwischen +DI und -DI. Es handelt sich sozusagen immer nur um eine positive Zahl. Welcher Trend dann vorherrscht, muss der Charttechniker aus dem Verhältnis der beiden DI-Linien herauslesen. Übliche Chartprogramme zeigen diese Indikatoren meist in einer äußerst unübersichtlichen Weise an. Bild 2 zeigt diese Darstellung anhand des Euro in Dollar. Alle drei Linien, ADX, +DI und -DI werden im Indikatorfenster unterhalb des Kursbildes angezeigt.
Bild 2. Euro in Dollar und ADX mit +DI und –DI. Chart des Euro in Dollar mit dem Endresultat in der üblichen Darstellungsart. Schnittpunkte sind oft schwer zu erkennen.
Die normalen Regeln für den ADX lauten:
- Steigender ADX bedeutet Trendverstärkung.
- Fallender ADX deutet auf Abschwächung des Trends hin.
Die Regeln für die beiden DI-Linien lauten:
- Steigt die +DI über -DI haben wir einen Aufwärtstrend – typischerweise ein Long-Signal.
- Steigt -DI dagegen über +DI, sind wir im angehenden Abwärtstrend – typischerweise ein Short-Signal.
Diese DI-Regeln kombiniert man mit den ADX-Regeln. Das sieht alles einfach aus, ist es aber nicht, wenn man den Chart des Euro in Dollar genauer betrachtet. Man sieht keine klaren Signale, da der ADX zwischen 0 und 100 oszilliert, während die beiden DI-Linien maximal einen Wert von 40 haben.
Demzufolge werden die beiden Signallinien bei hohem ADX irgendwo im Chartbild zusammengestaucht und man erkennt keine Kreuzung auf den ersten Blick. Alexander Elder gibt in seinem Buch „Trading for A Living“ folgenden Hinweis: „Steigt der ADX vier Balken hintereinander von einem mehrwöchigem Aufenthalt auf niedrigstem Niveau (d.h. unterhalb +DI/-DI), ergibt sich ein starkes Signal in Richtung des DI, der oberhalb des anderen verläuft.“
Wohlgemerkt ist dies eine Aussage aus einem Buch des Jahres 1992. Zu einer Zeit, als es zwar schon Daytrading gab, aber man nur mit sehr hohen Monatsgebühren mitspielen konnte. Diese Empfehlung lässt sich mittlerweile auch im kurzfristigen Tageshandel anwenden, jedoch etwas abgeändert, da man, wie bereits angesprochen, bei der herkömmlichen Darstellungsart Probleme mit der Stauchung hat. Und damit wären wir beim „Advanced ADX“. Dieser Indikator wurde für die Handels-Plattform „Metatrader“ programmiert, sollte sich aber ohne Probleme auf andere Plattformen übertragen lassen.
UNTERSCHIEDE ZWISCHEN ADX UND ADVANCED ADX
Der Vorteil des Advanced ADX besteht einfach darin, dass er nicht als Linienchart sondern als Balkenchart erscheint. Der zweite und wichtigste Unterschied ist die Farbe. Das Manko, dass man Kreuzungssignale der beiden DI-Linien nicht erkennen kann, wird hier auf einfachste Weise behoben. Der Advanced ADX wechselt die Balkenfarbe auf grün, wenn +DI über -DI verläuft. Wir haben einen Aufwärtstrend und dies wird mittels grüner Farbe angezeigt. Steigt dagegen -DI nach oben, wechselt der Balken auf rot. +DI und -DI werden nicht angezeigt, sondern im Advanced ADX integriert durch die Farbgebung des Balkens. Die Höhe des Advanced ADX entspricht der normalen ADX-Linie. In Bild 3 sehen Sie den Ver gleich beider Anzeigearten.
Bild 3. Euro in Dollar mit ADX und Advanced ADX. Im Vergleich das Original und die Abwandlung. Die Neuentwicklung schaltet das Manko des Originals aus. Man sieht auf einen Blick, wann eine Umschaltung erfolgt von Trend auf Seitwärts und umgekehrt.
ALEXANDER ELDER'S EMPFEHLUNG ANGEPASST
Auf was soll man nun achten im Advanced ADX? Dr. Alexander Elder´s Empfehlung gilt schließlich nur für Tagescharts. Im Intradayhandel wird man selten eine längere Phase fi nden, in der die ADX-Linie unter den beiden DIs verharrt. Auch kann es mitunter zu schneller Bewegung kommen, die zwar zu vier aufeinanderfolgend steigenden ADX-Balken führt, der Kurs den größten Teil der Bewegung dann aber leider schon hinter sich hat.
Wir sehen in Bild 4 mehrere Intraday-Einstiegssignale laut Elder´s Empfehlung im 15-Minutenchart markiert. Zweimal ein guter Einstieg und zweimal weniger gut. Speziell in schnellen Bewegungen nach der Veröff entlichung von wichtigen Wirtschaftszahlen sollte man vorsichtig sein. In der Hälfte der Fälle steigt man zu spät ein, was die Fehlsignalquote deutlich erhöht. Noch schlimmer wird es, wenn man auf die Verkaufsignale achtet. Die Bewegungen nach unten erfolgen meist schneller und man steigt meist erst dann ein, wenn der größte Teil der Bewegung schon vorbei ist.
Bild 4. ADX-Anwendung nach Alexander Elder Intraday. Elder´s Regel zum ADX im 15-Minutenchart des Euro gegen den US-Dollar angewandt führt oftmals zu Fehlsignalen. Bewegungen sind nach Einstieg oft erschöpft.
In Bild 5 sind drei weitere Signale im 15-Minutenchart eingezeichnet. Beim ersten Elder-Signal wäre man nahe des Tops eingestiegen – es kamen danach noch 20 Pips Bewegung. Nach der starken Abwärtsbewegung hätte man am Pfeil 2 nahe am Tief short gehen sollen. Auch beim dritten Pfeil ist das Short-Signal problematisch, denn es erfolgt praktisch direkt vor einer Gegenbewegung. Zwar setzt sich die Bewegung danach fort, doch ist es zumindest fraglich, ob bis dahin nicht bei den meisten schon der Stopp ausgelöst worden wäre.
Bild 5. Fehlsignale nach Elders Regeln. Drei weitere Intraday-Beispiele, die zu zwei Drittel am falschen Punkt zum Einstieg führten. Nur das letzte ShortSignal wäre ideal gewesen.
Damit ist klar, dass die Regel der vier steigenden Balken im Intradayhandel nicht wirklich Erfolg verspricht. Nun kann man die Einstiegsregel natürlich wieder mit anderen Indikatoren kombinieren, dann landet man aber wieder bei einer recht komplizierten Vorgehensweise und ist somit wieder am Beginn seiner Bemühungen.
Allerdings kommt es oft vor, dass man durch derartige Überlegungen oft einen anderen Blick auf die Dinge wirft und somit andere Methoden entwickeln kann. So auch hier. Werfen Sie doch einmal einen genaueren Blick auf die Maximalstände im ADX und die entsprechenden Kurse des Euro. Ein hoher Stand des ADX war nämlich sehr wohl ein Grund zum reagieren.
ADVANCED ADX MIT SIGNALLINIE
Kurzfristige Kursgewinne führen meist an einer bestimmten Stelle im Tagesverlauf zu Gewinnmitnahmen. Das ist natürlich eine Binsenweisheit, denn man weiß nicht, an welcher Stelle diese Gewinnmitnahmen erfolgen. Dazu möchten wir hier eine Technik zeigen, bei der man den Advanced ADX nutzen kann, um diese Stellen ausfi ndig zu machen. Ich habe festgestellt, dass ein Anstieg in eine bestimmte ADX-Zone meist ein Top ankündigt.
Natürlich wird man das genaue Top nie erwischen und die Methode ist auch nicht wirklich geeignet, um Positionen zu eröffnen. Sie hat aber große Vorteile bei der Schließung von Positionen, vor allem deshalb, weil Trends sich ja oftmals nicht auf der Stelle umdrehen, sondern langsam auslaufen und dann oft in einer Seitwärtsbewegung enden.
„Für mich und einige Sitznachbarn der beste Vortrag, den wir in Bezug auf Handelssysteme, Indikatoren usw. bisher gehört hatten.” – Wilfried
„Die Themen waren inhaltlich sehr interessant, alle Vortragenden sehr kompetent und ich habe für mich viel Lehrreiches mitgenommen.” – Ewald
„Kompliment, klasse Seminar, sehr verständlich und didaktisch top! ” – M.U.
Das ist der Grund, warum sich der Advanced ADX hervorragend als Instrument zum Management off ener Positionen eignet.
Steigt der ADX über 50 kommt es meist kurzfristig zu einer Top- oder Bodenbildung. Off ene Positionen in die entsprechende Trendrichtung sollte man schließen, wenn der ADX über dieser Marke liegt und der nachfolgende Balken mit Schlusskurs einen niedrigeren Stand hat. Drei Beispiele für den Einsatz dieser Regel sehen Sie in Bild 6. Im ersten Fall setzte sich die Aufwärtsbewegung zwei Stunden später zwar fort, aber das weiß man während des Handels ja nicht. In den beiden anderen Fällen wurde das Top fast exakt getroffen.
Bild 6. Effektvolle Anwendung Intraday des ADX. Ein Top oder Boden kündigt sich oftmals an durch einen ADX auf/über 50. Gewinne nimmt man mit, wenn der nachfolgende abgeschlossene Balken niedriger ist als der Balken davor.
KAUFLINIE NUR ANHALTSPUNKT
Wie zu sehen, ist im Chart ebenfalls eine untere Linie bei 20 eingefügt. Diese Linie gibt weniger gute Einstiegspunkte und dient nur als Orientierungspunkt für mögliche andere Signalgeber zum Einstieg. Aber auch hier sind gute Einstiegspunkte angezeigt, wenn der ADX unter dieser Linie verläuft und die Farbe wechselt. In allen drei markierten Fällen beschleunigte sich die Bewegung, nachdem der ADX diese Linie unterschritten bzw. berührt hatte und die Farbe umsprang.
EIN BEISPIEL VOM 12. MÄRZ
Am 12. März ist der ADX des Euro in die Signalzone gelaufen. Bild 7 zeigt die entsprechende Trendbewegung von 50 Pips in knapp zwei Stunden. Trader, die eine Long-Position haben, müssen die nächste Zeit diesen Chart genau beobachten. Eine Stunde später ist der Indikator weiter in die Verkaufzone gelaufen, es fehlt aber noch das entsprechende Signal. Der Euro hat weitere zehn Pips hinzugewonnen.
Bild 7. ADX in Signalzone. Der Euro in die Signalzone gestiegen mit einer Bewegung von 50 Pips in 2 Stunden. Jetzt heisst es aufpassen, um eventuell bestehende Long-Positionen nach dem nächsten Balken zu schliessen.
Die letzte abgeschlossene Kerze im Bild 8 gibt Warnsignale anhand des langen weißen Dochtes. Der Advanced ADX dagegen ist weiter steigend, hat aber bereits die Zone erreicht, die schon vier Tage vorher ein Top anzeigte. Es wird also nicht mehr lange dauern, bis Gewinnmitnahmen angesagt sind.
Bild 8. ADX Warnzeichen. Der weiterführende Kursverlauf, bei dem sich eine warnende Kerze ausbildet, der ADX aber weiter steigt.
GEWINNMITNAHME SIGNAL NACH 65 PIPS
Bild 9 zeigt den Chart nach weiteren 15 Minuten. Das Signal kam bei 1,3170. Nach einem Anstieg im Tagesverlauf von zwei Stunden und 65 Pips rät der fallende ADX Gewinne mitnehmen. Die Farbe bleibt zwar unverändert bullisch, nichtsdestotrotz nähern sich +DI und –DI an und zeigen damit eine Trenda bschwächung an. Es kam zum erneuten Test der Tageshochs an diesem Tag, dann folgte ein Rutsch von 40 Pips bis 1,3147.
Bild 9. Signalbalken. Gewinnmitnahme-Signal nach 65 Pips Anstiegspotenzial innerhalb zwei Stunden.
WELCHE INTRADAY-EINSTELLUNGEN FUNKTIONIEREN?
Umfangreiche Untersuchungen haben gezeigt, dass die Signallinie mit Gewinnmitnahmen über 50 Punkten im Indikator am besten funktioniert und zwar mit einer ADX-Berechnungsgrundlage von 13 Tagen. Je mehr Zeiteinheiten gleichzeitig in der Signalzone sind, desto eher sollte man reagieren. Das Ganze funktioniert ab einem Intradaychart mit 15 Minuten nach oben. Ebenso lässt sich diese Vorgehensweise auf große Bewegungen anwenden. Bild 10 zeigt den Euro in Dollar als Vierstundenchart mit den entsprechenden Gewinnmitnahme-Signalen Ende Oktober 2007. Die europäische Währung stieg seit dem 9. September von 1,37 bis 1,45 – eine Bewegung von mehr als 800 Pips in einem Monat. Die fünf Gewinnmitnahme-Signale sind eingezeichnet und nur das letzte Gewinnmitnahmesignal war zu früh. Alle anderen Verkauf-Signale waren nahe an den Tops mit nachfolgenden Kursverlusten.
Bild 10. Advanced ADX im Vierstundenchart. Der Indikator lässt sich ebenfalls in anderen Zeiteinheiten nutzen zur Gewinnmitnahme. Von fünf Signalen wurde nur eins sofort nach oben aufgelöst.
FAZIT
Indikatoren sind manchmal schwer zu interpretieren, gerade wenn es sich um mehrere Linien in einem Fenster handelt. Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. Durch eine kleine Anpassung in der Darstellungsart lassen sich neue Anwendungsarten entdecken, die man vorher nicht gesehen hat. Gerade im Zeitalter des Intradaytradings sollte man sich solche Neueinsichten zunutze machen und alte Regeln neu bewerten. Quelle: Traders' Mag.