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Jay Medrow: Erfahrungsbericht eines Traders
Gerade in der Anfangszeit sind Trading-Neulinge vielen Emotionen ausgesetzt und tappen in daraus resultierende Fallen. Im Folgenden beschreibt Jay Medrow seine ersten Schritte am Markt und zeigt, mit welchen (psychologischen) Problemen er zu kämpfen hatt.
Ich kann mich sehr gut an meine Anfänge im Trading erinnern. Als junger Soldat begann ich parallel zu meinem Studium in den USA mit dem Handel als Daytrader nach der Technischen Analyse im E-Mini S&P 500. Ich machte so viele Fehler und verbrannte so viel Geld, dass ich heute jedem folgenden Deal anbiete: Wenn einer einen Fehler macht, den ich selbst vorher noch nicht mindestens einmal begangen habe, lade ich ihn oder sie zum Essen ein.
In meiner Anfangszeit tätigte ich weit über 100 (!) Trades pro Tag. Meine Angst, etwas zu verpassen war so groß, dass ich immer im Markt war. Im Grunde zeigte ich das typische Verhalten des Overtradings. Ich handelte sogar um die Mittagszeit, nicht wissend, dass zu gewissen Zeiten einfach nicht genügend Teilnehmer im Markt sind, um nachhaltige Bewegungen zu initiieren und fortzuführen. Dieses sinnlose Agieren brachte nur meinem Broker Geld. Ich sah ein, dass mir einfach das korrekte Fachwissen fehlte, um überhaupt zu verstehen, wie ich Geld verdienen konnte. Als mein Schmerz groß genug war, zahlte ich eine beträchtliche Summe und ließ mich von Händlern der CBOT (Chicago Board of Trade) ausbilden.
EMOTIONALE SICHERHEIT
Gewappnet mit mehr Wissen sah ich mich meinem Ziel, hauptberuflicher Trader zu werden, einen großen Schritt näher. Allerdings zeigte sich nun, dass ich über das Stadium eines Break-Even-Traders nicht wirklich hinauskam. Was war das Problem?
Erst Jahre später lernte ich über mich selbst, dass Geld mir eine vermeintliche emotionale Sicherheit gab. Auch wenn dies eine Illusion war, so fühlte sich dieser Glaubenssatz absolut real für mich an. Meine Angst, Geld (Sicherheit) zu verlieren, fühlte sich für einen Teil in mir an, als wäre ich in meiner Existenz bedroht. Dieser irrationale Glaube hinderte mich unbewusst daran, Geld zu riskieren, wodurch ich aber auch kein Geld gewinnen konnte. Zu meinem Glück las ich während dieser Zeit das Buch „Trading In The Zone“ von Mark Douglas.
Dort wird propagiert, erst einmal mindestens 20 Trades nach festem Reglement auszuführen, um überhaupt einen möglichen statistischen Vorteil im Trading als positives Resultat zu erleben.
Es war am Ende genau diese Übung, gekoppelt mit smartem Money-Management, die mir erstmals erlaubte, den Erfolg im Trading selbst zu erleben und somit an einem meiner unnützen Glaubenssätze zu rütteln.
DAS EGO
Nach meinem Abgang vom Militär und mit Abschluss meines Studiums gelang es mir, einen Job als institutioneller Händler bei einer Großbank zu bekommen. Erst durch diese Möglichkeit, selber Märkte zu machen, begriff ich, wie das globale Finanzsystem wirklich funktioniert und in welchem Spiel der Spiele ich mich überhaupt befand. Der Blick auf die andere Seite veränderte mein Trading komplett.
Nun zeigte sich aber eine weitere emotionale Hürde, welche mich daran hinderte, meine Performance zu maximieren. Mein Ego war oft nicht bereit, einen Verlust zu akzeptieren, was dazu führte, dass ich bei Positionen im Verlust nachkaufte. Bei einer Bank ist das leichter als im privaten Trading, da hier weit mehr Kapital zur Verfügung steht. Dennoch endet ein solches Verhalten irgendwann tödlich.
Ein schwerer Verlust beeinflusste im Nachgang mein Trading so sehr, dass ich mich entschied, mit einem Psychologen intensiv an diesem Problem zu arbeiten. In meinem Gehirn hatte sich durch diese negative Erfahrung, intensiviert durch sehr starke negative Emotionen (was den Lerneffekt noch verstärkte), eine Verbindung gebildet, welche ich lösen musste, da sie mich in meinem Trading extrem negativ beeinflusste. Zu meinem Erstaunen lernte ich nun, dass eine einmal gebildete Verknüpfung im Gehirn nicht mehr aufzulösen ist. Wir können nur eine neue Verknüpfung bilden, die positiv besetzt ist, um die negativ besetzte abzuschwächen.
KÜNSTLICH POSITIVE ERLEBNISSE SCHAFFEN
Die Techniken, die hier zur Anwendung kamen, stammten aus der Hypnotherapie. Meine Aufgabe war es nun, in die damalige Situation hineinzugehen (mich also genau daran zu erinnern) und diese mit allen Gefühlen und Handlungen so detailliert wie möglich zu beschreiben. Im Anschluss sollte ich mir ein Happy End vorstellen und es genau beschreiben und fühlen. Was sich womöglich lächerlich anhört, funktionierte in meinem Falle hervorragend. Ich empfand ein viel ruhigeres Gefühl, wenn ich mich vor meinem inneren Auge dabei beobachtete, wie ich das genaue Gegenteil tat, den großen Verlust vermied und sogar in einen sauberen Gewinn wandelte.
Nachdem ich dieses Konzept verstanden hatte, fing ich an, Trades, welche ich während einer Session gemacht hatte, nach Börsenschluss über einen Trading-Simulator noch einmal nachzuhandeln. Meine Trading-Plattform zeichnet alle Tickdaten auf und erlaubt mir jederzeit, diese Daten im Simulator zu traden. Somit drehte ich jeden Verlust abends nochmals in einen erlebten Gewinn und maximierte jeden Gewinn nochmals. Was sich wieder für den einen oder anderen fraglich anhören mag, funktionierte erneut hervorragend für mich. Mein Gehirn sah jeden Abend einen positiven Abschluss des Handelstages und meine Datenbank an positiven Trade-Erlebnissen wuchs ständig an.
Bild 1. Verlust-Trade GBP/USD. Eine Methode aus der Hypnotherapie ist es, künstlich positive Erlebnisse zu schaffen. Nach diesem Prinzip schaute sich Jay Medrow in seiner Lernphase im Nachhinein alle Verlust-Trades an und machte aus ihnen Gewinn-Trades. Einen beispielhaften Verlust-Trade sehen Sie hier. Nachdem um 10:30 Uhr Zahlen kamen, die besser als erwartet ausfielen, stieg das Britische Pfund gegenüber dem US-Dollar an. Um 13:30 Uhr sprach dann Andrew Haldane, Chefökonom der Bank of England und Mitglied des geldpolitischen Komitees, was ebenfalls zu einer bullischen Reaktion im GBP/USD führte. Jay Medrow ging im GBP/USD short, nachdem der Markt ausgehend von der reinen vorherigen Impulsbewegung am 61,8-Prozent-Fibonacci-Retracement drehte. Er ging davon aus, dass die Aussagen Haldanes das Britische Pfund nicht nachhaltig stärken können und es seinen Abwärtstrend fortsetzt. Seine Interpretation war aber falsch und er wurde am 23. Juni ausgestoppt.
Die Gefahr, Trading-Fehler zu begehen, ist für uns täglich präsent. Als Mensch beeinflussen uns alle Lebensbereiche in unserem Trading-Prozess. Haben wir zum Beispiel zuhause mit unserem Partner Probleme, so wird diese negative Grundstimmung unser Trading beeinflussen. Verluste führen dann zu noch stärkeren negativen Emotionen und die Gefahr einer Abwärtsspirale in unserer Performance ist gegeben. Wenn wir krank, verkatert oder übermüdet sind, gehen wir nicht in unserer besten physischen und psychischen Verfassung aufs Spielfeld. Im Trading sieht es so aus, dass der private Trader im Trikot der E-Jugend des FC Entenhausen auf dem Platz steht und auf der anderen Seite steht Real Madrid. Es ist irrsinnig, unvorbereitet und in schlechter körperlicher und geistiger Form in den Markt zu gehen.
Bild 2. Aus Verlutst wird Gewinn. Um künstlich positive Erlebnisse zu schaffen, hätte man den Trade aus Bild 1 im Nachgang zu einem GewinnTrade ändern können. So hätte Jay Medrow nach dem Aufsetzer auf das 23,6-Prozent-Fibonacci-Retracement long einsteigen und das Gewinnziel auf das 78,5-Prozent-Retracement legen können. Den Stopp setzte er in der Nachbetrachtung so, dass sich ein Chance/Risiko-Verhältnis von 1,5:1 ergab.
DER MAXIMALE SCHMERZ ALS LEITLINIE
Einer meiner ersten Chefhändler sagte mir einst, der Markt diene dazu, der maximalen Anzahl an Teilnehmern den maximal größten Schmerz zuzufügen. Diese Sichtweise hilft mir beim Trading noch heute. Ich schaue auf jeden Markt mit einer institutionellen Brille und überlege mir genau, wann und bei welchen Preisniveaus der maximale Schmerz für die maximale Anzahl von Tradern sein kann. Da ich weiß, wie sehr das Trading dem menschlichen Naturell widerspricht (wir präferieren Sicherheit, vermeiden Schmerz und wollen uns glücklich fühlen) und ich verstehe, wie der nicht ausgebildete (im Sinne von Fachwissen und Psychologie) Trader agiert, fällt es mir leichter, dessen emotional getriebenes, reaktionäres Verhalten zu antizipieren und genau das Gegenteil zu tun.
Nehmen wir als Beispiel die Aktienhausse, welche seit 2009 in vollem Gange ist. Der private Trader stellt sich eher gegen diesen vorherrschenden Trend, da er der Meinung ist, dieser müsse ja bald zu Ende sein. Abgesehen von fehlendem Fachwissen über die globalen wirtschaftlichen Zusammenhänge nimmt er oft seine Trading-Ideen wortwörtlich aus der Technischen Analyse. Dies ist aber nur ein mögliches Argument für oder gegen eine TradeIdee. Im Fall von Aktien gilt derweil das alte Credo: Der richtige Trade ist der, der sich am schwersten anfühlt – in diesem Fall das Kaufen während eines Rücksetzers.
Die Frage ist also, bei welchem Preisniveau sich die meisten Teilnehmer am unwohlsten fühlen. Dort gilt es, gegenteilig positioniert zu sein. Offensichtlich hatten im März 2009 die meisten Akteure ihre noch vorhandenen Long-Positionen verkauft und erfahrene, weitsichtige und sich selbst sehr gut kennende Investoren wie zum Beispiel Warren Buffett kauften zu günstigen Preisen ein. Ich erinnere mich an eine Frage, die Warren Buffett während eines CNBC-Interviews mitten in der Finanzkrise gestellt wurde. Es ging darum, ob er sich keine Sorgen mache, mitten im Armageddon fünf Milliarden US-Dollar an Goldman Sachs zu leihen und ob er nicht Angst habe, dieses Geld zu verlieren (wir erinnern uns, Lehman war gerade pleitegegangen und die Erwartungshaltung der Mehrheit war, dass alle Investmentbanken pleitegehen könnten). Buffetts Antwort: Wenn Goldman pleiteginge, sei das gesamte Spiel sowieso vorbei und wir müssten uns dann ganz andere Sorgen machen. Buffett agierte somit nach einer alten Börsenweisheit: „Kaufen, wenn die Kanonen donnern und Blut in den Straßen fließt.“ Und zu diesem Zeitpunkt war die Wall Street ein strömender roter Fluss.
DISZIPLIN ZÄHLT
Im Nachhinein betrachtet ist alles sehr klar und einfach nachzuvollziehen. Aber im jeweiligen Moment sind wir Menschen – und Händler oft auch Teil der Herde. Unser Ego behauptet zwar das Gegenteil. Aber in Wahrheit kennen sich die wenigsten selbst gut genug, haben keinen ausreichenden Erfahrungsschatz und sind nicht in der Lage, trotz ihrer Ängste logische Schlussfolgerungen zu ziehen und langfristig zu agieren. Hier setzt zum Beispiel regelmäßiges Achtsamkeitstraining an. Es dient auf Dauer dazu, uns selbst zu beobachten und trotz Ängsten noch handlungsfähig zu sein und sinnvoll agieren zu können.
Einer meiner Senior Trader in London sagte mir mal, der Ausbruchshandel im Daytrading sei etwas für Retail Trader. Dies kann ich vollends unterstreichen. Wenn sich fundamental nicht nachhaltig etwas verändert hat, dienen Ausbrüche dem institutionellen Händler dazu, sich gegen die emotional reagierenden Marktteilnehmer zu stellen. Ein privater Trader geht aus Angst, etwas zu verpassen, bei einem Ausbruch genau in dem Moment long, wenn der institutionelle Händler seine Position dreht. Dann packt ihn die Angst, da er sein Geld in einem schnell fallenden Markt verliert. Entweder er lässt sich ausstoppen und folgt seinem Plan (falls er einen hat) oder er verschlimmert seine Situation aus Unwillen, einen Verlust zu akzeptieren, und kauft nach. Bei einem weiter fallenden Markt wird er sich erst am Punkt seines maximalen Schmerzes ausstoppen lassen, was genau der Ort ist, an dem der institutionelle Händler seine Short-Position wieder auf long dreht.
Grob skizziert ist dies in etwa das, was wir an den Märkten täglich im Nachhinein am Preisverlauf erkennen können. Zu verstehen, warum sich Trends ergeben, hilft uns, diese auch gewinnbringend zu handeln. Ich selbst nutze beispielsweise Punkte im Chart, an denen Stopps ausgelöst werden, als Einstieg in die fundamental vorgegebene und vom Sentiment bestätigte Richtung – und nicht umgekehrt als Ausstiegslevel.
Um das Trading für einen noch nicht langfristig profitablen Trader zu vereinfachen, empfehle ich stets, die Haltedauer zu erhöhen. Sobald ein Trader lernt, sich zum Beispiel am Wochenende völlig entspannt und emotionslos seiner Vorbereitung zu widmen, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für ihn, profitabel zu handeln. Die Märkte sind dann geschlossen und er oder sie kann sich smarte Trades raussuchen, welche in der kommenden Woche sauber geplant umgesetzt werden. Dadurch vermeidet es der Trader, ungeplant auf Preise im Live-Markt zu reagieren.
FAZIT
Unser Job als Trader besteht darin, Ereignisse zu antizipieren. Wir wetten heute auf das, was wir in einem, drei oder sechs Monaten in der Zeitung lesen werden. Zu diesem Zeitpunkt werden uns die anderen Trader unsere Positionen, die sich im Gewinn befinden, abkaufen. Dieses Phänomen ist auch als „Buy the Rumor and Sell the Fact“ bekannt.
Der Vorteil an einer höheren Zeitebene ist, dass wir nicht ungeplant reagieren, sondern zukünftige Volatilität antizipieren und uns entsprechend positionieren. Wir entwickeln einen Plan und setzen ihn in Form von LimitOrders um. Wir bauen Positionen auf und ab – entspannt, ruhig, nicht gehetzt und mit einem klaren Überblick.
Am Ende sind es die smarten, also gut durchdachten Trades, die uns Geld erwirtschaften – nicht die hektischen, aufgrund schwacher Argumente reaktiv gehandelten. Versuchen Sie es: Fachwissen, Training, Achtsamkeit und Erfahrung führen am Ende zum persönlichen TradingErfolg.
Jay Medrow
Inzwischen hat Jay Medrow 24 Jahre Trading-Erfahrung, in denen er bei internationalen Großbanken als Fixed Income Trader arbeitete. Er hält zudem einen MBA in Financial Management der Virginia Tech University und bildet Trader im Forex Trading aus. Quelle: Traders' Mag.
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